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Jürgen Storbeck
Leiter des Aufbaustabes EUROPOL

Die Mafia besetzt das "Europäische Haus"

Organisierte Kriminalität in Westeuropa


Die Kriminalitätszahlen der EG-Staaten weisen in den letzten Jahren starke Zuwachsraten auf. Das gilt insbesondere für Straftaten, die dem organisierten Verbrechen zugerechnet werden. Organisierte Kriminalität ist jedoch statistisch schwer oder fast gar nicht zu erfassen. Verläßliche Zahlen liegen aus kaum einem unserer Partnerstaaten vor, und auch aus der deutschen Kriminalitätsstatistik läßt sich nur in Ansätzen Organisierte Kriminalität erkennen.

Organisierte Kriminalität scheint weniger noch als ein Eisberg, bei dem nur ein Siebtel der Masse aus dem Wasser ragt, seine Ausdehnung, seine Aktivitäten und seine Bedeutung erkennen zu lassen. Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden in Westeuropa sehen sich bei der Bewertung von Organisierter Kriminalität mit der Schwierigkeit konfrontiert, daß die bislang übliche Trennung zwischen dieser Kriminalitätsform und Allgemein- oder Massenkriminalität heute praktisch nicht mehr möglich ist. Organisierte Straftäter haben weite Bereiche der Massenkriminalität in ihr Straftatenrepertoire übernommen.

Erschwerend wirkt sich aus, daß das Phänomen Organisierte Kriminalität auch begrifflich nicht leicht zu fassen ist. In einzelnen westeuropäischen Staaten liegen praktikable, aber unterschiedliche Arbeitsdefinitionen vor; eine Legaldefinition, die also auch Bestandteil von Gesetzestexten sein könnte, steht jedoch national und international weiterhin aus.

Bei Organisierter Kriminalität handelt es sich weitgehend um "Kontrollkriminalität“, d.h. Erkennen und Registrieren hängen ab vom Ausmaß und der Intensität der Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden. Erkenntnisse über Organisierte Kriminalität sind zumeist solche aus Ermittlungsverfahren, als auch aus dem Hellfeld. Aussagen zum vermutlich großen Dunkelfeld sind nicht möglich. Dies schränkt die Möglichkeit einer ausführlichen und exakten Bewertung ein. Unsichtbarkeit, Unzulänglichkeiten in der Informationsbeschaffung und -bewertung, Probleme bei der Abgrenzung zwischen Legalität und Illegalität und fehlende Meßinstrumentarien für das Ausmaß der Bedrohung haben die Organisierte Kriminalität bislang einer europaweiten, umfassenden Analyse und Beschreibung entzogen.

Am meisten scheinen wir über die Mafia zu wissen aufgrund der in den letzten Jahren doch recht intensiven Untersuchungen durch Politik, Polizei und Strafverfolgungsbehörden, Wissenschaft und Journalismus. Organisierte Kriminalität in Europa ist jedoch nicht gleichzusetzen mit der italienischen Mafia. Allein schon die italienische Organisierte Kriminalität umfaßt verschiedene Mafia-Gruppierungen wie die neapolitanische Camorra, die kalabrische N’drangheta und die Sacra Corona Unita, die alle inzwischen nicht mehr nur lokal oder regional, sondern sogar über Italien hinaus in vielen Staaten Europas tätig sind. Schließlich wird der Begriff Mafia als Synonym sowohl für internationale als auch für national Organisierte Kriminalität verwendet. Wir sprechen von der Russenmafia, der Polenmafia, aber auch von der Baumafia und der Müllmafia. Deshalb wähle ich für meine Ausführungen einen bewußt weiten Ansatz.

Das Thema Organisierte Kriminalität löste in der Vergangenheit und löst auch heute noch national und international kontroverse Diskussionen aus. Da der Großteil der Aktivitäten der organisierten Straftäter im Verborgenen bleibt, wird das volle Ausmaß der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedrohung durch sie erst langsam und von Staat zu Staat unterschiedlich klar erkannt. Doch das, was aus der Polizei- und Justizpraxis sowie den Aussagen von Fachleuten aus anderen gesellschaftlichen Bereichen in Europa bekannt wird, zeigt uns, daß die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in den 90er Jahren einen Schwerpunkt der Arbeit von Polizei und Justiz bilden wird.

Ausgangspunkt für jede Art der Auseinandersetzung mit Organisierter Kriminalität und ihren Begleiterscheinungen ist eine umfassende Beurteilung der Lage. Dabei ist neben der Beschäftigung mit den Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität selbst auch eine ausgiebige Betrachtung der Umstände notwendig, unter denen Organisierte Kriminalität gedeihen und sich entwickeln kann. Da sich diese Kriminalitätsform nach außen hin nicht eindeutig manifestiert, hängt die Einschätzung ihrer Gefährlichkeit aber auch häufig von der "ideologischen Brille“ ab, durch die man Sachverhalte betrachtet, so daß als Folge davon die Einsicht in die Notwendigkeit von Gegenmaßnahmen unter Umständen nur schwer zu bewirken ist. So erklären offizielle französische Stellen z.B. immer noch, daß es in Frankreich zwar einzelne kriminelle Banden gäbe, daß aber organisiertes Verbrechen nach dem Vorbild der italienischen Mafia nicht existiere. Allenfalls werde die Côte d’Azur oder die Gegend von Grenoble von der Mafia als Ruheraum oder als Gebiet zur Anlage von Geldern genutzt. Dem widersprechen jedoch italienische Experten oder der Mafia-Kronzeuge Bucchetta, der mir vor zwei Jahren in einer Anhörung in Atlanta persönlich erklärte, daß Deutschland und andere westeuropäische Staaten wie auch Frankreich schon vor 20 Jahren als Expansionsraum für die Mafia vorgesehen waren. Bucchetta sagte sogar ausdrücklich, daß dort, wo es in den Staaten Europas oder in Übersee sizilianische Familien, Geschäfte, Pizzerien und Restaurants gebe, stets auch die Mafia präsent sei.

Während einzelne EG-Staaten also immer noch das Vorhandensein von Organisierter Kriminalität verneinen, können andere Staaten wie Italien, die Niederlande und Deutschland aufgrund von z.T. mehrjährigen Untersuchungen das Vorhandensein von Organisierter Kriminalität in ihren Staaten mehr oder weniger eindeutig belegen oder sogar seine Strukturen beschreiben. Die italienischen Behörden machen daher recht genaue Aussagen über Mafia, N’drangheta, Camorra, Sacra Corona Unita sowie über organisiertes Verbrechen, das von türkischen Staatsangehörigen oder von Kosovo-Albanern kontrolliert wird.

Die Niederlande haben aufgrund einer mehrjährigen Intelligence-Arbeit des Centrale Recherche Informatiedienstes in Zusammenarbeit mit den großen Polizeibehörden ihres Landes Gruppen identifiziert und beschrieben, die der Organisierten Kriminalität zugerechnet werden und in den Niederlanden und von dort aus auch in den Nachbarstaaten tätig sind.

Für die Bestimmung der OK haben sie folgende acht Kriterien herangezogen:

In der Untersuchung von 1993 sind 20 Organisationen identifiziert worden, die alle acht Kriterien erfüllen, und 98, die immerhin sechs der angeführten Merkmale aufweisen.

Und was können deutsche Strafverfolgungsbehörden zu diesem Thema darlegen? Spezielle Studien und die Kriminalstatistik des letzten Jahres sagen aus, daß 1992 bei den deutschen Behörden 641 Ermittlungsverfahren im Bereich Organisierte Kriminalität anhängig waren. Schwerpunkte lagen in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen. Die neuen Bundesländer meldeten die wenigsten Verfahren.

Zu den 641 Verfahren wurden weit mehr als 60.000 Einzeldelikte erfaßt. Die deliktische Bandbreite erstreckt sich dabei nahezu über den gesamten Straftatenkatalog, Schwerpunkte sind Vermögens- und Fälschungsdelikte. Ca. 40% der Verfahren sind als deliktübergreifend zu bezeichnen. Bei fast 40% der Ermittlungsverfahren spielten Rauschgiftdelikte eine Rolle. Gewaltdelikte machen nur knapp 2% aus. Bei über 60% der Ermittlungsverfahren wurden internationale Bezüge festgestellt, nur 20% weisen lediglich regionale Bezüge auf. Die 404 Verfahren mit internationalen Bezügen tangieren insgesamt 76 Staaten. Tatorte außerhalb Deutschlands lagen vor allem in den Niederlanden, Italien, Polen, der Türkei, der Schweiz und in Österreich. Die nach den Kriterien der polizeilichen Kriminalstatistik erfaßten Schäden belaufen sich auf über eine Milliarde DM. Darüber hinaus wurden Gewinne aus Straftaten von knapp 700 Mio. DM ermittelt. Von den insgesamt über 8.000 Tatverdächtigen waren knapp die Hälfte Deutsche; mit etwas über 50% ist der Anteil Nicht-Deutscher deutlich höher als bei der registrierten Gesamtkriminalität (1992 rd. 30%). In über der Hälfte der Verfahren wirkten Tatverdächtige unterschiedlicher Nationalitäten zusammen. Bei fast 140 Verfahren wurde nach Mitteilung des Bundeskriminalamts eine Einflußnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft festgestellt.

Fortgeschrieben wurde von den Strafverfolgungsbehörden auch ein spezielles Lagebild zur italienischen Organisierten Kriminalität in Deutschland. Für den Zeitraum von September 1991 bis Ende 1992 wurden 50 Ermittlungskomplexe ausgewertet. Die Mehrzahl der Verfahren ist der Mafia zuzuordnen. Deliktische Schwerpunkte bilden die Schutzgelderpressungen und die Rauschgiftkriminalität. Geographische Schwerpunkte der italienischen Organisierten Kriminalität in Deutschland sind Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Es gibt Hinweise, daß Mitglieder mafioser Organisationen die Bundesrepublik sowohl als Ruhe- und Rückzugsraum als auch als Aktionsfeld betrachten und nutzen. Das belegen nicht zuletzt die zahlreichen Festnahmen von Mafia-Angehörigen, die in Deutschland 1992 und 1993 zu verzeichnen waren.

Untersuchungen nur in Italien, den Niederlanden und Deutschland können jedoch nicht ausreichen, um die These, die Organisierte Kriminalität besetze das "Europäische Haus“, zu belegen. Ähnliche Untersuchungen liegen in den anderen westeuropäischen Staaten jedoch nicht oder nur in Ansätzen vor. Auch eine einheitliche europäische Statistik oder vergleichbare nationale Kriminalstatistiken, die nach gleichen oder zunächst ähnlichen Kriterien erstellt wären und so die Frage nach Vorhandensein und Aktivitäten von Organisierter Kriminalität beantworten könnten, stehen nicht zur Verfügung.

Deshalb können nur auf anderem Weg Aussagen über Organisierte Kriminalität in Westeuropa erarbeitet werden; und zwar einmal nach einer "kriminalistischen Wahrscheinlichkeitsrechnung“ und zum anderen aufgrund von Einzelaussagen aus EG- und anderen europäischen Staaten. Mit einer "kriminalistischen Wahrscheinlichkeitsrechnung“ meine ich eine Untersuchung der Rahmenbedingungen, die für das organisierte Verbrechen wichtig sein können.

Staaten der EG bieten gegenwärtig äußerst günstige Bedingungen für das Entstehen von Organisierter Kriminalität aus kriminellen Banden, für die Ausdehnung von bestehenden Verbrechergruppierungen in räumlicher, quantitativer und qualitativer Hinsicht und für das Eindringen von Organisierter Kriminalität von außerhalb der EG, z.B. aus Osteuropa, Südamerika und Ostasien.

Selten zuvor haben sich in Europa die sozialen, politischen und rechtlichen Bedingungen für die Strafverfolgung so einschneidend geändert. In Westeuropa ist quasi ein grenzfreier Raum entstanden, in dem über 300 Mio. Menschen leben. Der "Eiserne Vorhang“ nach Osteuropa besteht nicht mehr, so daß teilweise schon jetzt, spätestens aber ab Mitte der 90er Jahre nach Ausgabe von Pässen an die russische Bevölkerung sich fast 600 Mio. Bürger ungehindert in Europa bewegen können.

Andererseits besteht ein gewaltiges Wohlstandsgefälle zwischen West- und Osteuropa, zwischen Südost- und Nordeuropa, zwischen Europa und anderen Kontinenten. Ost- und Südosteuropa sind darüber hinaus teilweise geprägt durch kriegerische Auseinandersetzungen im Rahmen der Neuordnung der dortigen Staaten, deren Auswirkungen auf die Kriminalitäts- und Sicherheitslage wir in den nächsten Jahren mehr und mehr erleben werden. Westeuropa liefert durch sein freiheitliches Rechtssystem und nicht zuletzt durch liberale Aufenthalts- und Asylbestimmungen vielfache Anreize für international organisierte Kriminalität.

Straftäter können die in Europa teilweise so unterschiedlichen Straf-, Verwaltungs- und Wirtschaftsgesetze zu ihren Gunsten nutzen. Ihre Methoden sind bei uns besonders wirksam, da gesetzliche Regelungen und Durchführungsvorschriften der einzelnen Staaten häufig kompliziert sind und durch ihre Unterschiedlichkeit, ja sogar Widersprüchlichkeit, Lücken aufweisen, die die grenzüberschreitende Strafverfolgung entscheidend behindern.

Strafverfolgungsbehörden sind darüber hinaus durch die Bindung an bestehendes Recht berechenbar und die Koordinierung von Bekämpfungsmaßnahmen ist aufgrund unterschiedlicher nationaler Rechtssysteme und teilweise übersteigertem Souveränitätsdenken schwerfällig, während Organisierte Kriminalität flexibel und ohne nationale Engstirnigkeit agieren kann. So ist z.B. das Aufspüren von illegalen Vermögensgewinnen durch die Polizei schwieriger als das innovative Aufspüren und Nutzen von Marktchancen und die Möglichkeiten der Finanztransaktionen durch das organisierte Verbrechen.

Das Ende dieses Jahrhunderts erlebt in Europa einen ungeheuren Wertewandel: Das Christentum verliert an Bedeutung, herkömmliche politische Ideologien wie z.B. Kommunismus sind "out“, Moral und Ethik verändern sich. All dies bietet einen idealen Nährboden für Organisierte Kriminalität.

Nach der Beschreibung der Rahmenbedingungen für die Aktivitäten Organisierter Kriminalität stellt sich aber die Frage: Welche harten "facts“ haben wir in Westeuropa zur Organisierten Kriminalität? Die facettenreichen Formen der organisierten Rauschgiftkriminalität verkörpern in geradezu klassischer Weise sämtliche Merkmale der international organisierten Kriminalität. Heroin aus Nah-, Mittel- und Fernost, Kokain aus Südamerika, Cannabisprodukte aus Afrika und Asien drängen unvermindert stark auf den europäischen Markt. Hochkarätige kriminelle Organisationen überwachen die Produktion, organisieren den Transport in die Abnehmerregionen und sichern den Vertrieb.

Eingebunden in diese weltweiten Verknüpfungen ist Europa schon lange ein einheitlicher Markt für Rauschgifte aller Art, dessen Strukturen und Abläufe mit dem modernen Wirtschaftsleben vergleichbar sind. Die Ware, hier das Rauschgift, wird von einer straff gelenkten und arbeitsteilig agierenden Organisation kalkuliert, finanziert und unter Nutzung modernster Logistik produziert und vertrieben. Häufig werden legale Unternehmensstrukturen - möglichst mit internationalen Verflechtungen - genutzt oder gezielt aufgebaut. So haben die südamerikanischen Kokainkartelle ständige "Operationsbasen“ in Europa eingerichtet. Dort werden Transportfragen geklärt, Residenten für den Vertrieb und Verteilernetze installiert, scheinlegale Geschäftsbeziehungen aufgebaut sowie Möglichkeiten der Geldwäsche und -anlage sondiert. Soweit erforderlich werden darüber hinaus alle Register der Abschottung und Konspiration, der Begünstigung und Korruption, der Einschüchterung und Gewaltanwendung gezogen, um Interventionen Dritter, insbesondere staatlicher Einrichtungen, zu verhindern bzw. abzuwehren.

Wie in anderen Deliktsbereichen sind auch bei der Rauschgiftkriminalität immer häufiger Verbindungen in osteuropäische Staaten feststellbar. Der Aufbau von Handelsbeziehungen und Erleichterungen im Grenzverkehr werden verstärkt auch für Rauschgiftgeschäfte genutzt. Die Staaten des ehemaligen Ostblocks gewinnen wachsenden Einfluß auf die Rauschgiftzufuhr nach Mittel- und Westeuropa. Das hat zur Konsequenz, daß die tangierten Staaten nun auch mit wachsenden Rauschgiftproblemen im eigenen Land zu kämpfen haben. Das belegt unter anderem eine gerade fertiggestellte, noch nicht veröffentlichte Bedrohungsanalyse Osteuropa des Aufbaustabs EUROPOL.

Mit Kraftfahrzeugdiebstahl und internationaler Kfz-Verschiebung hat sich neben der Rauschgiftkriminalität ein weiteres bedeutendes Betätigungsfeld der Organisierten Kriminalität entwickelt. Indikator für dauerhaft abhandengekommene Pkw ist die Zahl unerledigter Fahndungsausschreibungen. Danach dürften im vergangenen Jahr ca. 250.000 Pkw und Kombi auf Dauer in den Staaten der EG verschwunden sein. Der Schaden beläuft sich auf rd. 6 Milliarden DM. Abnehmer der Beutefahrzeuge finden sich nach wie vor in den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, von wo Fahrzeuge auch in den Fernen Osten weiterverschoben werden. Die Anrainerstaaten im Osten gelten als Ziel-, vermehrt aber auch als Transitländer für die Belieferung von mittlerweile ganz Osteuropa und den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion.

Organisierte Tätergruppierungen profitieren aber nicht allein vom Kfz-Diebstahl. Damit verbunden sind oftmals der Schmuggel von Alkohol und Tabak, der Handel mit Rauschgift und mit Falschgeld. 1992 hat sich die Zahl der Falschgeldanhaltefälle in fast allen westeuropäischen Staaten - in Deutschland ca. 14.000 - gegenüber dem Vorjahr nahezu vedoppelt. Zurückzuführen ist dies vor allem auf den sprunghafen Anstieg farbkopierter "Blüten“. Dennoch sind die vor wenigen Jahren vorherrschenden Druckfälschungen nicht bedeutungslos geworden, auch nicht nach Einführung der neuen DM-Banknoten. So sind z.B. Ende 1992 erstmals auch Druckfälschungen der neuen 100 DM- und 200 DM-Noten festgestellt worden, die aus Polen und Italien stammen.

Auch bei der Falschgeldkriminalität zeigen sich besondere Einflüsse aus Osteuropa. Die desolate wirtschaftliche Lage und die damit einhergehende fehlende Währungsstabilität mit vierstelligen Inflationsraten haben dazu geführt, daß in mehreren Ländern der GUS die DM und der US-Dollar als Ersatzwährung gehandelt werden, zumal selbst Produkte des täglichen Lebens nur gegen Devisen zu erhalten sind. Diese Situation bietet ideale Voraussetzungen für die Herstellung und Verbreitung von Falschgeld. So wurde im November 1992 in der Türkei eine Druckerei ausgehoben, in der für die Ukraine bestimmte gefälschte 500 DM-Noten im Nennwert von 25 Mio. DM sichergestellt wurden.

Einer anhaltend großen Gefährdung ist auch der unbare Zahlungsverkehr ausgesetzt. Die unaufhaltsame Verbreitung von Euroschecks und Scheckkarten sowie von weltweit einsetzbaren Kreditkarten hat sie zu einem bevorzugten Objekt Organisierten kriminellen Mißbrauchs werden lassen. Die Entwicklung im vergangenen Jahr zeigt, daß vor allem die Schäden durch den Einsatz gestohlener und total gefälschter Kreditkarten weiter gewachsen sind. 1992 entstand ein Gesamtschaden von über 100 Mio. DM. Fernöstliche Organisierte Kriminalität steht hier im Mittelpunkt des polizeilichen Interesses.

Bei der Umweltkriminalität ist die Zahl der polizeilich registrierten Straftaten stark abhängig von dem Vorhandensein und dem Ausmaß der in den europäischen Staaten geltenden Umweltgesetze, vom Kontrollverhalten der Behörden und vom Anzeigeverhalten der Bevölkerung, das mit der Aktualität bestimmter Problembereiche Schwankungen unterworfen ist. Daher ist von einem sehr großen Dunkelfeld auszugehen. Strengere gesetzliche Vorschriften, durch die bislang als ungefährlich angesehene Rückstände nunmehr als gefährlich eingestuft werden, die Zunahme produzierter toxischer Stoffe, nicht zuletzt aber auch die Sanierung von Altlasten (insbesondere in den neuen Bundesländern) - das alles trägt dazu bei, daß die Mengen von Sonderabfall trotz verbesserter Produktionsverfahren und ausgeweitetem Recycling weiter zunehmen. Beseitigung, Verarbeitung oder Endlagerung der Abfälle sind regelmäßig mit hohen Kosten verbunden. So verwundert es nicht, daß sich Straftäter in diesem Bereich in Erwartung hoher illegaler Profite betätigen. Unter Umgehung rechtlicher Vorschriften wird ein Teil des Sonderabfalls ins Ausland "exportiert“. Empfänger illegaler Mülltransporte sind andere Staaten der EG, Länder der Dritten Welt und seit der Liberalisierung des grenzüberschreitenden Verkehrs zunehmend die Staaten Osteuropas.

Organisierte Tätergruppierungen kassieren vom Abfallerzeuger hohe Gebühren für die angebliche Entsorgung und streichen gegebenenfalls zusätzliche Gewinne aus dem Verkaufserlös ein, wenn sich das Exportgut als "Wirtschaftsgut“ deklarieren läßt. Die angerichteten Schäden lassen sich kaum beziffern. Finanzielle Gewinne der Täter sind nur ein Glied einer Kette, die sich aus unabsehbaren ökologischen, sozialen, wirtschaftlichen, gesundheitlichen und politischen Schäden zusammensetzt. Die Gefahr durch organisierte illegale Abfallverschiebung ist vor allem auch deswegen als groß einzuschätzen, weil OK-Täter durch Dumping-Preise Wettbewerbsverzerrungen herbeiführen. Durch sie können legal operierende Mitbewerber vom Wachstumsmarkt Abfallentsorgung verdrängt werden.

Nach der Darlegung besonders bedeutungsvoller Kriminalitätsbereiche stellt sich die Frage, welche kriminellen Organisationen nun besonders zu beachten sind. Auf Mafia und andere süditalienischen Organisationen möchte ich nicht weiter eingehen, weil dieser Bereich der Organisierten Kriminalität in mehreren anderen Vorträgen behandelt wird und Informationen darüber aufgrund früherer ähnlicher Veranstaltungen und durch die Fachliteratur wohl weitgehend bekannt sind. Während aber mit italienischer organisierter Kriminalität die süditalienische Mafia und Camorra allgemein gleichgesetzt werden, vergißt man immer wieder, daß die in Norditalien ansässigen Verbrecherorganisationen seit Jahren, ja seit Jahrzehnten, in Produktion von Falschgeld, d.h. gefälschten Dollars, DM, Gulden, Pfund usw. führend sind. Auch Produktfälschungen werden von Norditalien aus geplant und organisiert. Inwieweit in Norditalien ansässige Organisierte Kriminalität in der Wirtschaftskriminalität und insbesondere in der illegalen kriminellen Müllentsorgung aktiv ist, kann nur vermutet werden. Bei der kriminellen Entsorgung von Sondermüll gibt es konkret bekannt gewordene Fälle ja schon seit dem Transport des Seveso-Gifts von Norditalien durch ganz Europa.

Neben der italienischen Organisierten Kriminalität richtet sich das Augenmerk der Strafverfolgungsbehörden vermehrt auf die Tätigkeit osteuropäischer Gruppierungen in Westeuropa. Dabei werden teilweise widersprüchliche und in ihren Zahlendimensionen kaum faßbare, ja erschreckende Aussagen zum Potential gemacht, das aus dem Osten nach Westeuropa hineinwirkt oder wirken wird. So teilte etwa der stellvertretende russische Innenminiser Yegorov mehrfach anläßlich von Besuchen in westeuropäischen Staaten mit, daß bereits um die 200 Gruppierungen allein der "Russenmafia“ grenzüberschreitend in westeuropäischen Ländern tätig seien. Deren aktive Beteiligung am Kriminalitätsgeschehen in Westeuropa könnte bereits durch zahlreiche Ermittlungsverfahren russischer Strafverfolgungsbehörden nachgewiesen werden. Und bei Fachtagungen in Mitteleuropa gaben russische Experten an, daß das russische organisierte Verbrechen illegale Gewinne und Werte in Höhe von 500 Milliarden US-Dollar in den "krisensicheren“ Staaten West- und Nordeuropas anzulegen, aber auch für ihre kriminellen Zwecke einzusetzen beabsichtigt.

Schwerpunkte der osteuropäischen organisierten Kriminalität liegen bei Kfz-Diebstahl und -verschiebung, Rauschgift- und Falschgeldkriminalität, Diebstahl von Antiquitäten, Kunst- und Kulturgütern, Schutzgelderpressung und Waffenhandel, z.T. aus Beständen der ehemaligen sowjetischen Streitkräfte in Deutschland.

Die zunehmenden Aktivitäten osteuropäischer krimineller Organisationen haben auch die "Ware“ Mensch erfaßt. Nach Schätzungen von Fachleuten sollen weit mehr als 10.000 junge Frauen in osteuropäischen Ländern angeworben worden sein, um sie in Westeuropa meist unter Zwang der Prostitution zuzuführen. Wie eine Ware werden sie unter Zuhältern gehandelt. Eine Analyse einschlägiger Ermittlungsverfahren zeigte, daß die Frauen vor allem aus Polen, der ehemaligen CSFR, Bulgarien, Rußland und Ungarn stammen. Etwa 5% der bekanntgewordenen Opfer waren noch minderjährig. Zusätzlich geraten die schon ortsansässigen Prostituierten oder Zuhälter in den Groß- und Mittelstädten Mitteleuropas unter die Kontrolle der jeweiligen Russenmafia, oder sie werden aus dem Verkehr gezogen. Die teilweise äußerst brutalen Tötungsdelikte z.B. jetzt auch in Berlin sind Folgen der Verteilungskämpfe und Geschäftsübernahmen im Rotlichtmilieu.

Ähnlich sieht es im Bereich der Schleusung und illegalen Beschäftigung von Arbeitnehmern aus. Die Schlepper und Vermittler nutzen die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in den Staaten Ost- und Südosteuropas aus, um Arbeitskräfte zu Billigstlöhnen anzuwerben. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge werden meist nicht abgeführt, Dienste, beispielsweise auf dem Bausektor, zu regelrechten Dumpingpreisen angeboten. Das Gleichgewicht der Wirtschaft ist so erheblich gestört. Gerade in Osteuropa wird deutlich, wie schnell sich gerade Straftäter an die Bedingungen der Marktwirtschaft anpassen und deren Vorteile für ihre illegalen Machenschaften ausnutzen können. Das mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und seines einengenden Wirtschaftssystems freigesetzte kriminelle Potential sieht aber nicht nur im eigenen Land, sondern vor allem in Westeuropa und hier besonders in Deutschland ein ideales Operationsfeld. Organisierte Tätergruppierungen profitieren wohl am ehesten von den sozio-ökonomischen Veränderungen in ihren Ländern. Ihnen kommt entgegen, daß die Wirtschaft stagniert, eine wirksame Sozialpolitik noch nicht etabliert ist, öffentliche Moral und Solidarität nach der bisher strengen Ausrichtung verfallen, der allgemeine Lebensstandard momentan eher sinkt als steigt und staatliche Führung und Verwaltung noch weitgehend desorganisiert sind. Fehlen solche formellen und informellen Kontrollmechanismen gegen Normverstöße, macht sich Kriminalität breit.

Neben der italienischen und der osteuropäischen organisierten Kriminalität existieren auch in unseren westlichen Nachbarstaaten leistungsstarke kriminelle Organisationen, die regional oder national aufgebaut oder erstarkt sind und nun über die Landesgrenzen hinaus expandieren. Weitgehend unbekannt scheint so z.B. die Bedeutung der Organisierten Kriminalität in Galicien zu sein, die traditionell im Zigarettenschmuggel tätig ist und die inzwischen mehr und mehr an Bedeutung gewinnt; und zwar für die Einfuhr von Kokain aus Südamerika und von Cannabis aus Marokko in die Europäische Gemeinschaft.

Auf dem europäischen Festland anscheinend noch ohne großen Einfluß, dafür aber im Rauschgifthandel und im Bereich der damit verbundenen Kriminalität äußerst aktiv, ja führend sind die jamaikanischen Yardies und ähnliche karibische kriminelle Gruppen, die in London und anderen britischen Groß- und Mittelstädten agieren. Britische Experten rechnen damit, daß diese organisierten Gruppierungen ihren Markt insbesondere bei dem Handel von Crack, Ecstasy und Ice zum europäischen Festland hin ausdehnen werden und dabei die Großstädte Norddeutschlands und in den Niederlanden als erste Standorte wählen werden.

Nach einer TREVI-Studie spielen im Bereich Rauschgiftkriminalität, Menschenhandel und bei Schutzgelderpressungen Rockerbanden eine immer größere Rolle, wobei deren Aktivitäten gegenwärtig insbesondere in Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden nachzuweisen sind.

Wie britische und niederländische Behörden berichten, zeichnet sich ein Wiedererstarken der chinesischen Triaden ab. Auch in Deutschland gibt es dafür wohl einige Hinweise. Schwerpunkte ihrer Aktivitäten sind Heroinhandel, Schutzgelderpressungen, Menschenhandel und Wirtschaftskriminalität. Die Triaden scheinen sich auch räumlich weiter von Großbritannien und den Niederlanden aus nach Belgien, Deutschland und Frankreich hin auszudehnen. Dieser Trend könnte sich noch erheblich dadurch verschärfen, daß Hongkong 1997 an China zurückfällt und damit die dort ansässigen chinesischen Triaden einen Großteil der Aktivitäten nach Westeuropa verlegen, wo sie ja schon seit vielen Jahrzehnten Stützpunkte haben. Über die japanischen Yakusa und ihre Aktivitäten in Europa hingegen bestehen praktisch keine klaren Erkenntnisse, sondern nur Vermutungen.

Zunächst in Deutschland und in den Niederlanden, inzwischen aber in fast allen westeuropäischen Staaten haben sich starke türkische und kurdische kriminelle Organisationen etabliert. Häufig aus oder im Rahmen von Großfamilien entstanden, sind sie aufgrund lukrativer Geschäfte im Rauschgiftbereich organisatorisch, technisch und finanziell stark und mächtig geworden. Inzwischen haben sie ihre Interessengebiete nicht nur in territorialer Hinsicht ausgeweitet, sondern scheinen auch in der Beschaffung und im Handel mit anderen illegalen Gütern neben Rauschgift aktiv zu sein.

Eine besondere Gefahr wird in den nächsten Jahren m. E. von den Folgen der Neuordnung Osteuropas und des Balkans und politischer Veränderungen in anderen Teilen der Welt ausgehen, die zu kriegerischen Auseinandersetzungen und Vertreibungen geführt haben. Es ist davon auszugehen, daß diese Kriege schon heute, aber auch künftig zumindest teilweise auch durch illegale Gewinne, also durch Organisierte Kriminalität in Europa finanziert werden. Andererseits aber wird Europa dann wohl auch Ausgangspunkt für illegalen Waffenhandel in diese Bürgerkriegsgebiete. Schließlich ist zu erwarten, daß sich die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien auch auf dem Gebiet der EG fortsetzen.

Und was ist nun mit unserem eigenen, unserem deutschen, niederländischen, belgischen oder französischen organisierten Verbrechen? Hier können wir besonders wenig sagen. Dabei mag ich nicht behaupten, daß es hausgemachte organisierte Kriminalität - mit oder ohne überregionale Bedeutung - in den Benelux-Staaten, in Frankreich und Deutschland nicht gäbe. Vielleicht fällt es unseren Strafverfolgungsbehörden leichter, ausländische organisierte Kriminalität bei uns zu erkennen. Grund dafür könnte aber auch die Tatsache sein, daß die Stärken unserer Organisierten Kriminalität im Bereich der Wirtschaftskriminalität, also z.B. im Ausschreibungs-, Subventions- und Anlagebetrug liegen, wo das Dunkelfeld sehr groß ist und Anzeichen von organisierter Kriminalität nur sehr schwer festgestellt werden können.

Erst nach intensiven Untersuchungen, wie sie die Niederlande durchführen, erkennen wir, wie intelligente und gut ausgebildete Kriminelle eines modernen Zuschnitts in wenigen Jahren in westeuropäischen Metropolen oder auch Regionen Imperien aufbauen. Der Niederländer Bruinsma z.B. errichtete nach Verbüßung mehrerer geringfügiger Gefängnisstrafen ab Mitte der 80er Jahre in Amsterdam und dann in Westeuropa ein Geflecht von legalen und illegalen Unternehmungen in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft und der Kriminalität, das jährlich bis zu 100 Mio. holländische Gulden erwirtschaftete. Das erforderte, aber ermöglichte auch, daß er allein zwei Mio. holländische Gulden jährlich für seine persönliche Sicherheit ausgab. Trotzdem wurde er von kriminellen Rivalen im Sommer 1992 erschossen.

Und wie begegnen wir in Westeuropa all diesen Erkenntnissen zur Organisierten Kriminalität? Schlagworte sind dabei insbesondere Schengen, TREVI und EUROPOL. Was haben uns Schengen und TREVI gebracht? Trotz erheblicher und langer Anstrengungen im EG- und im Schengen-Rahmen ist eine Rechtsharmonisierung im Strafrecht nicht gelungen und wird wohl auch in den nächsten Jahren nicht realisiert werden können. Auch ein weitgehend einheitliches europäisches Strafverfahrensrecht steht den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Verfügung. Aber auch die unterschiedlichen nationalen Gesetze werden von vielen Polizeipraktikern und Sicherheitsexperten als unzureichend und unbefriedigend angesehen:

Sicher ist meines Erachtens jedoch, daß wir das organisierte Verbrechen, das sich auf hergebrachte polizeiliche Methoden eingestellt hat, darüber hinaus modernste Technik einsetzt, finanziell über unbegrenzte Möglichkeiten verfügt und konspirative Geheimdienstmethoden anwendet, mit traditionellen Mitteln nicht mehr erfolgreich bekämpfen können.

Veränderungen in der Bekämpfung internationaler Organisierter Kriminalität sind jedoch durch Ausweitung internationaler politischer Zusammenarbeit zu erwarten. Der Ausbau internationaler polizeilicher Informationssysteme, die Entbürokratisierung internationaler polizeilicher Zusammenarbeit und der Aufbau einer zentralen europäischen Polizeibehörde mit Intelligence- und Koordinationsaufgaben erscheinen mir in der Tat als die erfolgversprechendsten Möglichkeiten, international organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Dabei bietet dieser Weg den Vorteil, daß bei Berücksichtigung der nationalen Gesetze und insbesondere der nationalen Datenschutzregelungen und der nationalen Souveränität in die Grundrechte des Bürgers nur äußerst geringfügig eingegriffen wird.

Im Rahmen der Schengener Abkommen und der TREVI-Zusammenarbeit sind einige erste Ansätze zu einer Verbesserung der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit gemacht worden. Parallel sind und werden polizeiliche Informationssysteme wie das Schengener Informationssystem und wohl auch das Europäische Informationssystem, das eine Erweiterung des Schengener Informationssystems um die nationalen Bestände von Großbritannien, Irland und Dänemark darstellt, aufgebaut.

Von besonderer Bedeutung wird - so meine persönliche Hoffnung - der Aufbau und Ausbau von Europol sein. Daneben gibt es eine Vielzahl, vielleicht sogar zu viele internationale Initiativen im Rahmen der UN, der IKPO-Interpol, des Internationalen Zollrats CCC und der EG, die polizeiliche Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zu verbessern.

Diese international vereinbarten und - leider nur teilweise - aufeinander abgestimmten Initiativen müssen national durch legislative, methodische, technische, personelle und finanzielle Initiativen ergänzt werden, um organisiertes Verbrechen auch in den nächsten Jahren noch erfolgreich bekämpfen zu können. Das rechtliche, organisatorische und technische Instrumentarium der USA, das uns Herr Rohr geschildert hat, besteht in keinem westeuropäischen Staat. Dabei obliegt es der Politik und damit mittelbar dem Bürger zu entscheiden,

Dabei kann und sollte keine dieser Maßnahmen für sich gesondert betrachtet werden. Wer z.B. einen hohen Datenschutzstandard haben will, muß entsprechend Personal und Technik zur Verfügung stellen. Wer keinen "Lauschangriff“ will, muß in Kauf nehmen, daß gewisse Ermittlungsergebnisse und vor allem Beweismöglichkeiten gegen die Chefs bzw. die Hintermänner des organisierten Verbrechens nicht erbracht werden können. Wer keine Beweislastumkehr für die Sicherstellung von illegal erworbenen Vermögenswerten will, muß andere Ermittlungsmöglichkeiten wie z.B. personell und finanziell aufwendige Intelligence-Verfahren zur Verfügung stellen. Mit traditionellen Mitteln können wir das organisierte Verbrechen nicht mehr erfolgreich bekämpfen. Das haben unsere Nachbarstaaten inzwischen besser erkannt und in entsprechende Gesetze umgesetzt. In den Niederlanden tritt im Herbst ein Gesetz in Kraft, das den Lauschangriff zuläßt; Großbritannien, Frankreich und Italien haben weitgehende Gesetze im Zusammenhang mit der Geldwäsche.

Mangelhafte Bekämpfung des organisierten Verbrechens hat aber auch sozial inakzeptable Konsequenzen. Der Reiche kann sich schützen und tut es durch Verträge mit privaten Sicherheits- und Wachunternehmen in vielen europäischen Großstädten schon, der "normale“ Bürger aber wird mehr und mehr zum Opfer werden.


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