Drogen, Kriminalität,
Terrorismus
Wie
in den USA seinerzeit das Alkoholverbot unter dem "Dry Law", so schafft
auch das Drogenverbot viel mehr Probleme als es löst.
Am 4. Januar 2001 hat der Direktor des
Office of National Drug Control Policy (ONDCP), der pensionierte
Viersterne-General Barry McCaffrey, bekannt auch unter dem Spitznamen
"Drogenzar" und ehemals zuständig für das Kommando des Operationszentrums
zum Drogenverbot in Lateinamerika, der US-amerikanischen Regierung seinen
Antidrogenbericht vorgelegt. Er hob darin hervor, daß auch der neue
Präsident George W. Bush die nationale Strategie zur Bekämpfung der Drogen
beibehalten sollte.
General McCaffrey war auch maßgeblich beteiligt
am sogenannten Plan Colombia, mit dem die USA 1,3 Milliarden US-Dollar
hauptsächlich militärischer Unterstützung zur Reduzierung des illegalen
Kokain- und Heroinhandels bereit stellen. Der Plan sieht vor, daß
US-Militärberater spezielle kolumbianische Einheiten im Kampf gegen
Drogenhändler, und indirekt auch gegen linksradikale Guerillas ausbilden,
die den Drogenhandel schützen und von ihm finanziell
profitieren.
Das US-amerikanische Militär ist aktiv im Kampf gegen
Drogen eingesetzt, sowohl in den USA als auch im Ausland. Der "Drogenzar"
behauptet, daß dadurch Drogenkosum und -handel in den USA zurückgingen.
Leider trifft dies nach allen vorhandenen Statistiken nicht zu, sondern
das Drogenverbot ist kontraproduktiv. Wie in den USA seinerzeit das
Alkoholverbot unter dem "Dry Law", so schafft auch das Drogenverbot viel
mehr Probleme als es löst.
Einige Aspekte sollen hier beleuchtet
werden.
Wirtschaft
Wie jede andere Industrie ist auch
das Drogengeschäft beherrscht von den Gesetzen des Angebotes und der
Nachfrage. Gibt es zu wenig Rohmaterial, seien es Kokablätter oder Opium,
steigt der Preis. Gibt's zuviel, sinkt er. Die Produzenten, ob Bauern in
Afghanistan oder Hersteller synthetischer Drogen in Europa, wollen ihre
Kosten senken und ihre Gewinne steigern.
In Afghanistan wurde im
Jahre 2000 Rohopium für 50 US-Dollar pro Kilogramm verkauft. Das ist für
die afghanischen Bauern ein stattlicher Preis. Nur ein Teil des Opiums
wird bislang in Afghanistan selbst zu Heroin verarbeitet, ein weiterer
Teil geht in Fabriken in Pakistan und Zentralasien, von wo es nach Europa
geschmuggelt wird. Bis es dort in den Handel kommt, hat sich sein Preis um
das 2000-fache erhöht. Nach Ermittlungen der Vereinten Nationen kostet ein
Kilogramm Heroin in Pakistan durchschnittlich 2 720 US-Dollar. In den USA
wird es dagegen für 129 380 US-Dollar verkauft.
Warum sind Drogen
überall erhältlich? Weil wir in Zeiten leben, die die Goldgräberzeiten in
den Schatten stellen. Die Realität des Goldrausches war Prostitution,
Gewalt, Trunkenheit, Gesetzlosigkeit aller Art. Dabei hatte und hat das
Gold einen weitaus geringeren Wert als Kokain und Heroin. Heute kostet
Gold im Großhandel pro Gramm 9 US-Dollar. Kokain kostet 44 US-Dollar pro
Gramm, und das, nachdem die Kokainpreise massiv gefallen sind. Während
Reagans Drogenkrieg war Kokain zwanzigmal soviel wert wie Gold. Heroin
kostet heute 300 US-Dollar pro Gramm, es ist also mehr als dreißigmal so
wertvoll wie Gold.
Das ist die Antwort darauf, warum Prohibition
keine Drogenkontrolle oder gar Abschaffung bringen kann. Der
"Drogenrausch" hat gewissermaßen eine Goldgräberstimmung in allen Ecken
und Enden der USA hervorgerufen.
Die Taliban stattdessen treiben
von den Opiumbauern ganz normal Steuern ein. Das ist eine wesentliche
Einkommensquelle für sie. Sie haben die härtesten Gesetze der Welt gegen
Drogenkonsum, selbst das Rauchen von Zigaretten wird in Afghanistan nicht
gern gesehen. Größeren Drogenmißbrauch gibt es dort nicht, und die Taliban
schreiben dies der afghanischen Moral und den Traditionen zu.
Es
ist wahrscheinlich, daß Vertreter der Taliban auch im Drogenhandel und
-transport tätig sind. Ein "Old hand", der heute 75-jährige Omar Mumtaz,
der seit 1987 als politischer Flüchtling in den USA lebte, und der vor dem
Einmarsch der Sowjets in Afghanistan der "König des Transports" genannt
wurde, hat sich jetzt in Kabul niedergelassen, um dort eine Privatbank zu
eröffnen. Der oberste Chef der Taliban Mollah Mohammad Omar ist
einverstanden, und nun muß nur noch das Sanktionskomitee der UNO von der
guten Sache überzeugt werden, und dann kann das Geschäft in großem Stil
losgehen. Herr Omar Mumtaz kann alle Kenntnisse, die er in den USA
erworben und alle geschäftlichen Kontakte, die er dort geknüpft hat,
bestens im Sinne der Taliban einsetzen.
Wenn jemand die Taliban der
doppelten Moral zeiht, antworten diese, daß die westliche Nachfrage das
Problem sei. Dieser Meinung sind auch hochrangige Regierungsvertreter
lateinamerikanischer Länder.
Was die Nachfrage an Drogen angeht, so
erwirtschaftet das illegale Drogengeschäft nach Angaben des International
Drug Control Program der Vereinten Nationen allein 50 Milliarden US-Dollar
in den USA und jährlich mehr als 400 Milliarden US-Dollar weltweit. Das
sind acht Prozent des gesamten internationalen Handels, was dem Umsatz der
Textilbranche entspricht. Nach den Vereinten Nationen haben sich die
Gewinne aus dem illegalen Drogengeschäft so erhöht, daß man drei Viertel
aller Drogen beschlagnahmen müßte, um die Profitabilität des Geschäfts
ernsthaft zu schädigen. In den USA werden aber nur fünf bis fünfzehn
Prozent des Drogenimports abgefangen, da Drogenhändler sich solchen
Maßnahmen wendig anpassen, in dem sie neue Schmuggelmethoden und -routen
entwickeln. Die Schmuggelkosten machen in den USA überhaupt nur zehn
Prozent des Endwertes von Kokain aus. Diese Kosten, mit allen übrigen
Produktionskosten außerhalb der USA zusammengenommen ergeben dreizehn
Prozent des Einzelhandelspreises für Kokain. Vernichtung von
beschlagnahmten Drogen sowie Drogenverbot sind für die Drogenmafia eine
Art Allgemeinkosten ihres Geschäftes. Ihr Einfluß auf den Preis in den USA
ist vernachlässigbar. Schon deshalb macht die Strategie, Drogen bereits an
den Grenzen der Produktionsländer abzufangen, wirtschaftlich wenig Sinn,
solange die Drogen in den USA und den anderen Konsumentenländern verboten
bleiben. Mindestens 87 Prozent des Mehrwertes werden in den
Konsumentenländern geschaffen. Man kann sagen, daß der Risikopreis desto
höher ist, je näher die verarbeiteten Drogen an den Einzelhandel kommen.
Deshalb auch konnten die Taliban einmal großzügig fast ein Drittel der
Opiumanbauflächen niederbrennen lassen - es kostete sie so gut wie
nichts.
Aufgrund des exzellenten Herstellungs- und
Distributionsmanagements der Drogenmafia wurden Kokain und Heroin sowohl
in Europa als auch in den USA billiger, womit wir zum nächsten Aspekt
kommen.
Korruption
Zwar gibt es in den
Produktionsländern auch Korruption in Zusammenhang mit Drogenproduktion
und -handel, aber diese müßte sich in Grenzen halten, wenn die
Produktions- und Handelskosten außerhalb der USA nur dreizehn Prozent des
Einzelhandels betragen. Dennoch kann gesagt werden, daß ein
drogenproduzierendes Land wie Kolumbien, das Hauptzielland des von den USA
angeführten Drogenkreuzzuges, beispielsweise, mit ansehen muß, wie über
die Jahre seine Justiz, Legislative und Exekutive, und da besonders das
Militär, nach und nach durch den Drogenhandel korrumpiert wurden. Im
November 1998 beispielsweise hat Personal vom US-Zoll und von der Drug
Enforcement Administration (DEA) in einem Flugzeug der kolumbianischen
Luftwaffe 415 Kilogramm Kokain und sechs Kilogramm Heroin
gefunden.
Die Aushebung von Drogenhändlerringen haben zu schwersten
Gewalttaten geführt und selbst Kartelle zerschlagen, aber sie haben
keinerlei einschränkenden Einfluß auf den Drogenexport gehabt.
Die
massivste Korruption findet in den USA selbst statt. Durchschnittlich die
Hälfte aller als Ergebnis einer von 1993 bis 1997 durchgeführten
FBI-Untersuchung der Korruption überführten Polizeioffiziere wurden
solcher Delikte überführt, die mit dem Drogenhandel zu tun hatten. Das
Polizeidepartement von Los Angeles hatte Ende Juli 2000 einen Skandal zu
verkraften, in dem gegen 70 Polizeioffiziere Untersuchungen wegen verübter
Verbrechen oder Duldung und Nichtanzeigen von Verbrechen im Zusammenhang
mit dem Drogenhandel eingeleitet worden waren. Ca. 100 Verbrechen waren
auf Grund des Fehlverhaltens dieser Polizeioffiziere nicht verfolgt
worden.
Ein 1998 herausgegebener Bericht des Statistischen Amtes
(General Accounting Office) der USA bemerkt, daß die Korruption in
Zusammenhang mit dem Drogenhandel folgende Straftaten umfaßte: 1. gegen
die Verfassung verstoßende Durchsuchungen und Beschlagnahmen, 2. Stehlen
von Geld und/oder Drogen von Drogenhändlern, 3. Verkauf von gestohlenen
Drogen, 4. Decken von Aktivitäten bei Drogenkonsum und -handel, 5. falsche
Zeugenaussagen, 6. Ablieferung falscher Verbrechensberichte.
Als
ein Beispiel unter vielen anderen benennt das Amt die Stadt Philadelphia,
wo seit 1995 zehn Polizisten des 39. Polizeidistrikts angeklagt wurden,
Verdächtigen Drogen untergeschoben zu haben, Drogenhändler um
Hunderttausende von Dollars ausgenommen und Einbrüche begangen zu haben,
um Drogen und Geld zu stehlen.
Zusammenfassend erklärte das
Drogenkontrollprogramm der Vereinten Nationen (the United Nations Drug
Control Program) in seinem Bericht von 1998: Wo immer eine gut
organisierte Drogenindustrie arbeitet, ist auch die Gefahr von
Polizeikorruption.
Solcher Art Korruption von Polizisten ist also
zahlreich. Wenig bis keine Dokumentation findet man über die Korruption an
höheren Stellen, bis hinein in die Regierung. Schnell sind die
US-amerikanischen Drogenfahnder bei der Hand, ausländische Regierungen zu
bezichtigen und dort Handlungsbedarf zu sehen.
Einflußnahme auf
andere Staaten
Ein Dutzend Staaten der Welt stehen, was
Drogenproduktion und -handel angeht, auf der Schwarzen Liste der USA, die
diese Länder nötigen, ihnen genehme Gesetze zur Drogenbekämpfung
einzuführen. Dabei haben die USA die politischen und wirtschaftlichen
Probleme dieser Länder aufs Schwerste verschärft. Der Kampf auf der
sogenannten Angebotsseite wurde schon unter den Präsidenten Reagan und
Bush I intensiviert, ein absolut fehlgeschlagenes erfolgloses Konzept.
Nach einem Bericht der US-Regierung, von 1998, wuchsen die Anbauflächen
für Kokablätter von 1987 bis 1997 von 173 243 Hektar auf 194 100. Die
hauptsächlich in Süd- und Mittelasien befindlichen Opiumanbauflächen
verdoppelten sich in der Zeit von 112 585 auf 247 000 Hektar. Die
Opiumproduktion wuchs in derselben Zeit von 2 242 auf 4 137
Tonnen.
Die von den USA und in geringerem Maße auch von Staaten der
EU unterstützten alternativen Anbauprojekte ("Erbsen, Bohnen, Linsen")
mußten aus mehreren Gründen scheitern, angefangen damit, daß die
klimatischen und Bodenverhältnisse für Substitutionen ungeeignet waren. So
können in Peru und Bolivien maximal zehn Prozent der Anbauflächen für
legale Feldfrüchte genutzt werden. Außerdem rentiert sich der Anbau von
Kokapflanzen und Opium mehr für die Bauern. Die den Ländern aufgezwungenen
Alternativprogramme führten dazu, daß die Bauern Koka und Opium auf
anderen Anbauflächen weiter anbauten.
Aus Ländern wie Thailand ist
bekannt, daß die dortigen Opiumbauern von den Drogenhändlern mittels eines
ausgeklügelten Kreditsystems abhängig gehalten werden. Diese Bauern, die
oftmals selbst opiumabhängig sind, werden gezwungen, ihre zukünftigen
Ernten zu verpfänden. Sie können gar nicht aussteigen. Khun Sha United
Army, Kuo Mintang und andere Banden sorgen dafür, daß ihr finanzieller
Nachschub nicht versiegt.
Die USA haben 1986 und 1988 den
sogenannten Anti-Drug Abuse Act erlassen, der die Bedingungen festlegt,
unter denen ein Staat von den USA Hilfe erhält und zum US-Markt zugelassen
wird. Einmal im Jahr hat der US-Präsident nachzuprüfen, welche Staaten in
diesem Sinne mit den USA zusammenarbeiten. Bei Nicht-Folgeleisten sind
selbstverständlich eine Reihe von Handels- und Hilfesanktionen vorgesehen.
Während der Amtszeit von Präsident Clinton hatten sich mehr als dreißig
Staaten dieser Zertifizierungsprozedur zu unterwerfen. Elf von ihnen
genügten den Anforderungen nicht, wobei festzustellen ist, daß für die USA
wirtschaftlich wichtige Staaten, wie Mexiko, zertifiziert wurden,
Kolumbien aber nicht, obgleich beide Länder sich in nichts nachstehen, was
die Drogenszene angeht. Rußland, heute Produktions-, Transit- und
Konsumentenland in einem, in dem die Geldwäsche blüht, steht überhaupt
nicht auf der Liste der zu zertifizierenden Staaten, wohingegen der Iran,
der ein hartes Antidrogenprogramm fährt, aufgelistet ist.
Da die
Sanktionen dann die gesamte Industrie betreffen, müssen legale Sektoren,
wie zum Beispiel die kolumbianische Blumenindustrie, hohe Ausgaben für
PR-Maßnahmen tätigen, um die Regierung der USA davon zu überzeugen,
hierauf keine Sanktionen zu verhängen.
Diese Initiativen haben die
bäuerlichen Kreise in allen betroffenen Staaten gegen ihre Regierungen und
gegen die USA aufgebracht, konsequenterweise unterstützen die Bauern
nunmehr vermehrt die Guerillagruppen, die in Kolumbien an die 150
Millionen Dollar jährlich aus dem Drogengeschäft bekommen. In den 80er
Jahren erhielten die Guerilleros des "Sendero luminoso" eine ähnlich hohe
Summe jährlich. Wieviel die Guerillagruppen Islamic Movement of Uzbekistan
(IMU), die Tschetschenienkämpfer und andere mit Hilfe der Taliban in der
Gegend operierende Freischärler erhalten, steht nirgends
geschrieben.
Die US-amerikanischen Anti-Drogenmaßnahmen schwächen
die Zivilgesellschaft und stärken das Militär in den betroffenen Ländern,
von denen viele gerade dabei sind, marktorientierte Strukturen einzuführen
und ihre Zivilgesellschaft zu stärken. Wenn aber bereits demokratisch
einigermaßen stabile Länder, wie Kolumbien, durch die US-Gesetze
unterminiert werden, gibt es keinen Grund anzunehmen, daß die Maßnahmen in
Asien erfolgreicher sein werden. Im Gegenteil, sie schaffen finanzielle
und moralische Unterstützung für linksradikale Rebellengruppen. Experten
gehen so weit zu behaupten, daß die US-amerikanischen Gesetzesmaßnahmen
die Drogenindustrie nunmehr auf andere Länder ausgebreitet haben, wobei
Venezuela, Argentinien und Brasilien genannt werden. Wie Herr McCaffrey
jedoch neulich mitteilte, soll dieser die Beziehungen vor allem mit den
lateinamerikanischen Staaten belastende Anti-Drug Abuse Act demnächst
abgeschafft werden. Die betroffenen Staaten sehen in dem Act ein
verletzendes Beispiel der US-amerikanischen Arroganz.
Die Vereinten
Nationen behalten derweil ihren traumtänzerischen Optimismus, in dem sie
kürzlich einen Plan ankündigten, die weltweite Drogenproduktion in zehn
Jahren auf Null zu reduzieren. Solches gibt es also auch.
Die
Drug Enforcement Administration (DEA)
Bevor wir zu
drogenbezogenen Verbrechen und dem gefängnis-industriellen Komplex der USA
übergehen, wollen wir einen Blick auf die Drug Enforcement Administration
werfen. Wörtlich müßte man sie als "Verwaltung zur Durchsetzung von
Drogen" übersetzen - wohl wahr!
An die 10 000 Mitarbeiter, davon
die Hälfte "Special Agents" (4 561) und "Intelligence Specialists" (686)
arbeiten in dieser Behörde des US-Justizministeriums gemeinsam mit dem
FBI, dem US Marshals Service, dem Immigrations- und Naturalizierungsdienst
und anderen. Der Hauhalt der DEA stieg von 700 Millionen US-Dollar, in
1973, auf 17,8 Milliarden US-Dollar, in 2000. Im Jahre 2001 soll der
Haushalt 19,2 Milliarden US-Dollar erreichen. Wem dies schon als
astronomisch erscheint, dem sei mitgeteilt, daß diesem Betrag noch
Antidrogen-Mittel in Höhe von insgesamt 33 Milliarden US-Dollar auf der
Ebene der US-Bundesstaaten und auf lokaler Ebene zugerechnet werden
müssen, so daß ein Gesamtbetrag von jährlich ca. 52 Milliarden US-Dollar
erreicht wird.
Die DEA operiert weltweit, auf inner- und
internationaler Ebene. Sie managt nationale Aufklärungsprogramme, nicht
etwa, um die Bevölkerung über die Drogengefahren aufzuklären, sondern im
guten nachrichtendienstlichen Sinne sammelt, analysiert und vertreibt sie
strategisch und operational wichtige Informationen über den Stand der
Drogenindustrie in aller Welt. Dazu arbeitet sie mit ausländischen
Regierungen zusammen, vernichtet Ernten, organisiert Fruchtsubstitutionen
und bildet ausländische Beamte aus. Unter der Federführung des
Außenministeriums und der US-Botschafter werden Counterparts in aller Welt
in den Kampf gegen die Drogen einbezogen. Demnächst sollen von der DEA in
Quantico/Virginia auch ausländische Nachrichtendienstler ausgebildet
werden. Selbstverständlich muß dann das zur Überwachung nötige Material
anschließend in den USA gegen harte Dollar erworben werden - es sei denn,
Staaten wie Rußland und Usbekistan hätten solches schon in Eigenproduktion
hergestellt. Unwahrscheinlich!
1973 hatte die DEA 24 Flugzeuge und
41 Spezialagenten/Piloten im Einsatz, heute operieren unter dem Namen DEA
Office of Aviation Operations (OA) 95 Flugzeuge und 117
Spezialagenten/Piloten. Die OA operiert von Ft. Worth/Texas aus.
Außenstellen hat die OA in Peru, Kolumbien, Bolivien, Mexiko, Puerto Rico
und auf den Bahamas. Ihre Piloten sind erfahrene Spezialagenten sowie
hochqualifizierte Piloten. Sie sind der Sache ergeben.
Der DEA
Nachrichtendienst ist seit 1973 signifikant gewachsen. Von einer Handvoll
Agenten in den USA wuchs die Zahl auf 680 in aller Welt. Es werden
taktische, investigative und strategische Nachrichten gesammelt. Dazu
unterhält die DEA folgende Büros: 25 in Europa, Mittlerem Osten und
Afrika, je 15 in Fernost und in Lateinamerika, 16 in Zentralamerika und
acht in der Karibik.
In Europa/ Mittelost/ Afrika ist sie in nahezu
allen Haupt- und größeren Städten vertreten, in Berlin und Frankfurt, in
Bern, Brüssel, Islamabad, Kopenhagen, London Moskau, Ottawa (liegt gemäß
DEA nicht in Amerika), Paris, Rom, Taschkent usw. Sinnigerweise gibt's
kein Büro in Tel Aviv. Städte wie Moskau und Taschkent werden gewiß erst
allmählich durchschauen, was sie sich da geholt haben. Israel wußte das
anscheinend schon vorher und hat deshalb verzichtet.
Besonders
stolz ist die DEA auf ihre Hauptoperationen mit den aufregenden Namen wie
"Charlestown Code of Silence", "Larry Hoover & the Gangster
Disciples", "Operations Conquistador and Columbus", "Operation Foxhunt
Zorro", "Operation Ramp Rats", "Operation Tiger Trap" usw.
Die DEA
ist weiterhin besonders stolz auf ihre Zusammenarbeit mit ausländischen
Stellen. Schon ihr Vorgänger, das Federal Bureau of Narcotics, hat 1949
zwei Agenten in die Türkei und nach Frankreich geschickt, wo der Welt
größte Mengen Morphinbase und Heroin hergestellt wurden. Die Anzahl der
Agenten stieg dann allmählich an. Selbstverständlich bildeten sie die
Counterparts in aller Welt aus, berieten sie, und wiesen ihnen auch sonst
den richtigen Weg. Um diesen genau zu kennen, müssen sie in den
betroffenen Ländern Nachrichten sammeln.
Besonders kümmern sie sich
auch um die Aufdeckung von Geldwäsche, bei der aus dem Drogengeschäft
realisierte Gewinne in legales Kapital umgewandelt wird. Da die USA die
Geldwäsche dadurch erschweren, daß Transaktionen von mehr als 10 000
US-Dollar deklariert werden müssen, und ihr Staat so von weiteren
kriminellen Akten verschont bleiben soll, schmuggeln Geldwäscher das Geld
aus den USA, beispielsweise nach Mexiko. Da gibt es den Präsidenten einer
Bank namens Banamex Bank, die natürlich ob der Anschuldigungen zweier
Journalisten, der Bankpräsident sei in den Drogenhandel verstrickt, mit in
Washington angeheuerten Anwälten der Firma Akin Gump zurückschlug. Der
E-mail Server der Web Site Narco News, die die Drogengeschäfte des Bankers
verbreitet hatte, wurde von Akin Gump schon lahmgelegt.
Der
Präsident der Bank richtete übrigens 1999 ein Treffen zwischen dem
US-Präsidenten Clinton und dem Präsidenten Zedillo von Mexiko aus. Sein
Anwesen in der Karibik diente dem designierten Präsidenten Vicente Fox als
Erholungsort.
Geldwäsche in den USA selbst findet aber dennoch
statt, und zwar mittels der Umgehung der Deklarationen, durch Geldwäsche
in bargeldintensiven Einrichtungen, wie Restaurants, in Scheinfirmen, wie
Kunstgalerien, Juwelierläden, Auto- und Bootshandlungen, ja sogar
karitativen Einrichtungen oder gar in eigenen Privatbanken. Das ist dann
der Gipfel der drogenindustriellen
Perfektion.
Verbrechen
US Census Data und FBI Uniform
Crime Reports haben eine Statistik aller in den USA von 1900 bis 1998
begangenen Mordtaten herausgegeben. Die Daten zeigen, daß es zwei
besonders gewaltätige Episoden im 20. Jahrhundert gegeben hat. Beide
fallen zusammen mit der Alkoholprohibition und der Eskalation des heute
geführten Krieges gegen die Drogen. 1933 war die Mordrate mit 9,7 pro 100
000 die höchste seit 1900. Es war das Jahr, in dem die Prohibition endlich
beendet wurde. Die Rate fiel in den folgenden Jahren steil auf ca. 5,5
Morde pro 100 000 ab. 1980 war wieder ein Höhepunkt, mit 10 Morden pro 100
000 US-Bürger. Sehr viel niederiger wurde sie danach nicht
mehr.
1988 wurden 85 Prozent der auf Crack bezogenen Verbrechen auf
Grund der Marktkultur bezüglich dem illegalen Crackhandel und
Territorialdisputen zwischen Crackhändlern begangen.
Der
durchschnittliche Drogenhändler hat eine schlechtbezahlte Arbeit, und er
dealt part-time, um Drogen für den eigenen Gebrauch finanzieren zu
können.
1973 gab es in den USA 328 670 Verhaftungen wegen Verstoßes
gegen die Drogengesetze, 1998 waren es 1 559 100, davon 78,8 Prozent nur
wegen Besitzes verbotener Drogen. 21,2 Prozent waren Verhaftungen wegen
Drogenherstellung oder -handel. Der einfache Besitz von Marihuana machte
38,4 Prozent aller Verhaftungen aus.
Eine Studie der Columbia
University bestätigt, was viele Kriminologen längst wissen, daß Alkohol
die Ursache von härteren Verbrechen ist als irgendeine verbotene Droge,
Crack, Kokain und Heroin eingeschlossen. 21 Prozent der Kapitalverbrechen
wurden unter Alkoholeinfluß begangen, aber nur 3 Prozent unter Crack oder
Kokain allein, und nur ein Prozent unter Heroin
allein.
US-Bundesstatistiken zeigen, daß mehr als 40 Prozent der
überführten Mörder ihre Tat unter Alkoholeinfluß begingen.
Wo
bleiben nun all die kleinen und großen Drogenkriminellen? Sie wandern in
die zahlreichen Gefängnisse der USA.
Der gefängnis-industrielle
Komplex
Anfang Februar 2000 hat das US-amerikanische
Kriminalsystem Geschichte geschrieben: erstmalig überstieg die Anzahl der
gleichzeitig einsitzenden Gefangenen die Zweimillionengrenze. In den USA
beginnt man, sich zu fragen, warum dem so ist. Dazu betrachtet man die
Entwicklung der Gefängnispopulation im einzelnen. Es bedurfte mehr als
zweihundert Jahre, nämlich von 1776 bis 1990, um eine Million gleichzeitig
zu inhaftieren. Die zweite Million kam in den letzten zehn Jahren
hinzu.
In den 90er Jahren wurden Milliarden US-Dollar ausgegeben,
um zusätzliche Gefängnisse zu errichten. Aber es gibt noch nicht genügend.
Kaum waren die neuen Gefängnisse fertig, waren sie schon wieder voll, und
es mußten weitere gebaut werden. Das führt zu kuriosen Ergebnissen.
Während noch vor einer Generation nur wenig Menschen gern neben einem
Gefängnis wohnten, reißen sich heute kleine und mittlere Städte um sie.
Die Orte, die dabei nicht erfolgreich sind, wenden sich an die Regierung
um Abhilfe. In Kalifornien beispielsweise ist die
Gefängniswärter-Gewerkschaft so gewachsen, daß sie eine politische Macht
bildet. Mit ihrer Mitgliedschaft von mehr als 27 000 steuerzahlenden
Gefängniswärtern unterstützt die Gewerkschaft die Parteien und Kandidaten,
die versprechen, noch mehr Gefängnisse zu bauen, mehr Wärter anzustellen
sowie deren Gehälter und Prämien anzuheben. Die Privatfirmen, die mit den
Gefängnisbehörden zusammenarbeiten sind auch beim politischen Machtkampf
dabei. Sie wissen, daß ihre Gewinne steigen, wenn es mehr Gefangene
gibt.
Von 1984 bis 1996 baute Kalifornien 21 neue Gefängnisse und
nur eine neue Universität. Kaliforniens Regierungsausgaben für Gefängnisse
stiegen von 1987 bis 1995 um 30 Prozent während die Ausgaben für höhere
Bildung um 18 Prozent sanken.
Die Bevölkerung Kaliforniens hat das
Problem erkannt, und so wurde gleichzeitig mit der Präsidentenwahl auch
über die "Proposition 36" positiv abgestimmt, nämlich, das Drogengesetz zu
liberalisieren, also Ersttäter und Kleinstdealer nicht mehr zu
inhaftieren, sondern sie zu behandeln. Allein in Kalifornien sitzen 162
000 Gefangene in den Knästen, davon mehr als ein Drittel
Gelegenheitskonsumenten von Drogen und kleine Drogenhändler. Es gibt
Fälle, da kommt beispielsweise jemand wegen des Besitzes einiger Gramm
Drogen in die Mühlen des Gesetzes, erhält dafür 27 Jahre Knast und wird
erst nach zahlreichen Eingaben neun Jahre später entlassen. Der Ehemann
dazu, der als Kleinhändler unterwegs war, kommt nach vier Jahren wieder
frei. Verkehrte Welt!
Die Gesetzesliberalisierung wurde nun nicht
etwa aus Menschenfreundlichkeit oder aus Einsicht in die Ausmaße des
gesellschaftlichen Elends in dem Bundesstaat in Gang gebracht, sondern
weil die Kosten der Inhaftierungen nicht mehr finanziert werden können.
Die Liberalisierung wird dem Staat Kalifornien zukünftig ca. 250 Millionen
US-Dollar pro Jahr an Verwahrungskosten und 40 Millionen US-Dollar
jährlich an Verwaltungskosten einsparen. Hinzu wird eine einmalige
Ersparnis von ca. 550 Millionen US-Dollar für nicht gebaute Gefängnisse
kommen, insgesamt im ersten Jahr also annähernd 1 Milliarde US-Dollar
Ersparnis. Ein Teil des Ersparten, ca. 120 Millionen US-Dollar soll zur
Rehabilitierung von erst- und zweitmalig auffällig gewordenen
nichtgewalttätigen Drogenkonsumenten eingesetzt werden.
Vehemente
Gegnerschaft kam von Richtern, die um ihre Arbeitsplätze bangen, sowie von
anderen konservativen Gruppen. Finanziell unterstützt wurde die
Liberalisierungskampagne von US-Milliardären wie dem New Yorker Finanzier
George Soros, dem Versicherer Peter Lewis, aus Cleveland/Ohio, und John
Sperling, dem Präsidenten der Universität von Phoenix/Arizona. Diese drei
sind dafür bekannt zu wissen, wie man mit Geld sinnvoller umgeht. Sie
halten die angestiegene Zahl der einsitzenden Drogenkonsumenten und Dealer
für einen Beweis des Mißerfolges der US-Drogenpolitik. Ihnen haben sich
schon einige Prominente angeschlossen, so zum Beispiel Baltimores
Bürgermeister Kurt Schmoke, der Nobelpreisträger Milton Friedman, der
konservative Kolumnist William F. Buckley Jr., der frühere Außenminister
George Shultz und die Gouverneure von New Mexiko Gary Johnson und
Minnesota Jesse Ventura, die alle eine teilweise Legalisierung der Drogen
befürworten.
Alle großen westeuropäischen Staaten haben eine
Gafangenenrate von unter 100 pro 100 000 Bürger. In den USA waren es 1999
für afro-amerikanische Frauen 212 pro 100 000 und für afro-amerikanische
Männer 3 408 pro 100 000 US-Bürger. Für hispanische Frauen waren es 87 und
für hispanische Männer 1 335 pro 100 000 US-Bürger. Die Rate für
inhaftierte weiße Frauen ist 27 und für weiße Männer 417 pro 100 000
US-Bürger. Die durchschnittliche Inhaftierungsrate ist in den USA heute
645 pro 100 000, was drei- bis zehnmal höher ist als in anderen modernen
Demokratien. Hauptbeitrag zu diesen Zahlen leistet der Anstieg ums
Achtfache der Inhaftierung, von 1985 bis 1999, wegen Drogen. Gegenwärtig
sitzen in den USA ca. 440 000 Menschen wegen Drogendelikten im Gefängnis.
Die durchschnittliche Inhaftiertenanzahl ist sechsmal größer als im
nächstfolgenden westlichen Land.
Die USA gaben 1995 auf Bundes-,
Staats- und Kommunalebene annähernd 113 Milliarden US-Dollar für ihren
Justizbetrieb aus. In dem Jahr saßen ca. eineinhalb Miilionen Gefangene
ein. Ein Gefangener kostete 71 184 US-Dollar an Verwahrungs- und
Verwaltungskosten. Drogentäter machten zu der Zeit ca. 55 Prozent aus.
Mehr als 80 Prozent des zwischen 1985 und 1995 zu registrierenden Anstiegs
an Gefangenen fiel auf Verurteilungen wegen Drogen. 84 Prozent davon waren
gewaltlose Drogenkonsumenten und Kleindealer.
Die USA führen das
größte Gefängnissystem der Welt, und Kritiker nennen das schon einen
"Gulag". Dennoch will Herrn McCaffreys Office für das Jahr 2001 zusätzlich
420 Millionen, 467 Millionen US-Dollar für 2002 und 316 Millionen
US-Dollar für 2003, alles auf Drogenbekämpfung
bezogen.
Militarisierung und Terrorismus
Von 1878, da
der Posse Comitatus Act es in den USA verbat, Militär als Polizei
einzusetzen, bis heute wurde der Act mehr und mehr ausgehöhlt. Die USA
haben im "Plan Columbia" 1,3 Milliarden US-Dollar Militärhilfe für
Kolumbien in Form von zusätzlichen 60 Kampfhubschraubern, 500 Personen
Militärtrainingspersonal, 300 zivilen Auftragnehmern sowie weitere 18
Black Hawk Hubschrauber und 42 weitere UH-1H "Huey" Hubschrauber
bereitgestellt, die gesetzeswidrig in Antidrogenkämpfen und gegen
Guerrillas eingesetzt werden sollen. Der "Plan Columbia" bestätigte
ausdrücklich, daß das Material nicht zur Guerrilla-Bekämpfung verwendet
werden darf.
Die US-Nationalgarde hat gegenwärtig mehr
Antidrogenkämpfer im Einsatz als die DEA. Täglich ist sie in 1 300
Antidrogenoperationen einbezogen, und sie hat dazu 4 000 Truppen im
Einsatz. 89 Prozent der Polizeidepartements arbeiten mit paramilitärischen
Einheiten, 46 Prozent sind vom Militär trainiert. Zwanzig Prozent der
Polizeidepartements gebraucht paramilitärische Patrouillen im städtischen
Bereich.
In allen Bereichen der Drogenbekämpfung in den USA und in
den von ihnen angeleiteten Staaten schreitet die Militarisierung zügig
fort. Das wird inzwischen damit begründet, daß der durch den Drogenhandel
finanzierte Terrorismus bekämpft werden müsse. Es wird die Einsetzung
einer weiteren Behörde, einer "Counterterrorismus Agency" vorgeschlagen.
Die CIA solle authorisiert werden, informelle Informanten aus Kreisen zu
rekrutieren, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Es müsse
endlich eine kohärente, funktionale nationale Strategie zur Bekämpfung des
Terrorismus her. Ein neuer Direktorposten soll geschaffen werden, der
US-Präsident solle den Direktor bestellen. Die neue Behörde solle aber
keinerlei Kontrolle haben über das Justizministerium, das FBI, das
Verteidigungsministerium, die CIA, die National Security Agency und andere
Einheiten, die den Terrorismus bekämpfen. Die neue Behörde gilt als
Antwort auf die schleppenden Ergebnisse bei der Aufklärung des Attentates
auf die USS Cole. Auch will man so den Gefahren des Einsatzes von
chemischen, biologischen, radioaktiven und nuklearen Waffen durch
Terroristen begegnen. Anerkannte Forschungszentren, wie das in Washington
ansässige Henry L. Stimson Center, erklären derartige Gefahren für stark
überbewertet.
Außer dem Think Tank STRATFOR.com scheinen sich nicht
sehr viele Politiker und Analysten in den USA zu fragen "Was, bitte, tut
denn die USA in Yemen?" Yemen ist ein strategisches Pfand im Spiel der USA
mit China und Rußland. Eine kleine 550 Meilen östlich von Yemen gelegene
Insel ist ein wertvoller militärischer Besitz. Dort wollen die USA
Nachrichtengeräte ihrer Signals Intelligence (SIGINT) aufstellen, die die
ganze Gegend ausspionieren können. Dagegen gibt es in Yemen eine starke
Opposition. Die yemenitische Regierung bestreitet, den USA die Insel
überlassen zu haben. Islamistische Politiker und Aktivisten wollen die USA
erst recht nicht dort sehen. So schließt sich der Kreis zu den
Terroristen.
Bedenklich stimmt, daß sich jetzt auch Rußland,
Usbekistan und andere Staaten in der zentralasiatischen Region mit
ungeeigneten Mitteln in Drogen- und Terrorismusbekämpfung stürzen. Der
Altkommunist Islam Karimov, Präsident Usbekistans, bereitet dazu den Weg,
in dem er rücksichtslos moderate islamische Mitbürger willkürlich
verhaftet, islamische Sekten aller Art, die es in der Region seit
Jahrhunderten gibt, den Terroristen und Drogenkriminellen gleichstellt und
sie verbietet. Harmlose moderate Gläubige werden als Fundamentalisten
hingestellt, der Islam wird in Usbekistan nur noch heimlich gepflegt. Wie
könnte man in Umkehrung des Marx-Wortes sagen? "Opium ist Religion für das
Volk!" Irgendwo müssen die Bedürfnisse nach Geistig-Geistlichem eben
hin.
Jane's Intelligence Review berichtete, daß bis zum Oktober
2000 russische und tadjikische Grenztruppen 800 Tonnen Opium beschlagnahmt
hätten, fünfmal soviel wie im Jahr zuvor. Der größte Drogentransport seit
acht Jahren, ca. 200 Kilogramm Heroin, ging russischen Grenztruppen am 15.
Dezember an der tadjikisch-afghanischen Grenze ins Netz. Die Tranportwege
werden vom Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) kontrolliert. Die
Kleinbauern dort, gebeutelt durch schlechte Ernten, jahrelange Armut und
Verfolgung durch ihren Landesherrn laufen in Scharen zum IMU über - schon
allein, damit sie etwas zu Essen auf den Tisch kriegen.
Rußland ist
nun auch endlich auf der Seite der aufrechten "internationalen
Staatengemeinschaft". Seit dem 19. Dezember letzten Jahres ist es soweit.
Der saudi-arabische Milliardär Osama bin Laden macht's möglich. Er sollte
zum Friedensnobelpreis vorgeschlagen werden. Ähnliches hat schon einmal
gewirkt, in Ost-Timor. Die gemeinsam von den USA und Rußland eingebrachte
UN-Resolution gegen Afghanistan brachte den Durchbruch. Nun ist auch
Rußland im Begriff, den klaren Kopf zu verlieren. Andere Staaten werden
folgen, die Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Waffengewalt
schmiedet alle unter der Leitung der USA zusammen. Die Blüte des
internationalen Terrorismus, Ideologen mit massiven wenn auch losen
Netzwerken, wie Bin Laden und seine panislamische Armee aus Taliban,
Tschetschenen, usbekischen Islamisten, sich selbst finanzierende
Narko-Terroristen (zu der die Kosovo Befreiungsarmee jetzt plötzlich auch
wieder degradiert ist) sowie organisierte Kriminelle und
Cyber-Terroristen, Bio-, Chemo- und Nuklearwaffen benutzende Bad Boys,
alle, alle werden mit vereinten Kräften abgeräumt. Indien erarbeitet
soeben einen Entwurf für eine weltweite Konvention zum Terrorismus für die
Vereinten Nationen, China und die USA unterstützen dies. Größer als heute
war die Wahrscheinlichkeit noch nie, daß sich eine weltweite Einigung
ergibt.
Auf den militär-industriellen Komplex der USA und auf ihre
Geheimdienste kommen ungeahnte Verdienst- und Einsatzmöglichkeiten zu,
denn überall müssen die Sicherheitskräfte und Nachrichtendienste
ausgerüstet werden. Die weltweite Zusammenarbeit ermöglicht es den Agenten
der USA, genannt US-amerikanische Spezialisten, zu allen
drogenproduzierenden, Transit- und Geldwaschländern ganz legal Zugang zu
haben, um den Terroristen und Drogenhändlern das Handwerk zu
legen.
Selbstverständlich müssen die betroffenen Länder
Militärausgaben tätigen, anstatt ihrer Bevölkerung endlich das Leben zu
verbessern. Das meiste Material kann nur in den fortgeschrittensten USA
gekauft werden. In Kolumbien wird das mit dem Plan Columbia soeben
vorgemacht. Endlich, wir sind alle eine große Familie, die unter Führung
der Hypermacht gegen Terrorismus und Drogengeschäft den Kreuzzug führt.
Wir sind die "internationale Staatengemeinschaft".
Legalisierung
aller Drogen
Wer bis hierher durchgehalten hat, bekommt in
wenigen Worten einen Lösungsvorschlag, der die Karten völlig neu mischt:
die Legalisierung aller Drogen und ihre Kontrolle und Besteuerung ähnlich
dem Alkohol und dem Tabak.
Es soll nicht behauptet werden, daß die
Legalisierung der Drogen ein Allheilmittel wäre. Es ist keine Frage, daß
Drogenmißbrauch selbst bei Legalisierung weiterhin ein ernstes Problem
bleiben würde, ähnlich dem bei Alkohol- und Tabakmißbrauch. Aber die
Folgen des Krieges gegen die Drogen richten mehr Schaden an als die Drogen
selbst. Darum sollte dieser Krieg endlich beendet werden. Er bringt nur
zusätzliches Leid und zusätzliche soziale, finanzielle und politische
Kosten über die ganze Welt.
Der Krieg gegen die Drogen ist schon
seit langem gescheitert, und zwar auf allen Ebenen.
Nicht nur, daß
bei einer Drogenlegalisierung Prostitution, Beschaffungs- und
Folgekriminalität, von der kleinen und großen Korruption bis hin zu Mord
und Totschlag, aufhören würden, daß Fixer sich endlich legal mit sauberen
Spritzen versorgen könnten und sich nicht mit HIV anstecken müßten (in
Rußland sind beispielsweise 80 Prozent der HIV-Infizierten Fixer), daß die
Kriminaliserung ganzer Gesellschaftskreise endlich beendet werden könnte,
es würde auch die durch die reichen Drogenhändler aufgebaute
wirtschaftliche und politische Gegenmacht in den betroffenen
Konsumentenstaaten, allen voran in den USA, abgebaut.
Bei freier
Verfügung über die Drogen würden sich Angebot und Nachfrage bald auf einem
sehr viel niedrigeren Niveau als dem heutigen einpendeln, und die riesigen
aus dem Risiko hergeleiteten Gewinne in den Konsumentenländern, aber auch
in den Produzentenländern fielen fort. Die Terroristengruppen in
Afghanistan, Usbekistan, in Kolumbien und anderswo hätten nicht mehr diese
großen Geldbeträge zur Verfügung, die es ihnen ermöglichen, Waffen zu
kaufen und die jeweiligen Regionen zu destabilisieren. Die USA hätten
keinen Vorwand mehr, in und über zahlreichen Staaten Aufklärungsarbeit zu
leisten, denn Drogenhändlern und Terroristen brauchte das Handwerk nicht
mehr gelegt zu werden. Die USA könnten vielmehr das so gesparte Geld dafür
ausgeben, bei sich im Lande ein gutes Gesundheits- und Bildungssystem
aufzubauen. Sie brauchten dann nicht mehr die in anderen Ländern mühselig
ausgebildeten Wissenschaftler und Experten für traumhafte Gehälter
abzuwerben. Sie müßten nicht mehr Angst haben vor terroristischen
Anschlägen in ihrem eigenen Land, sondern sie würden mit der Welt in
Frieden leben können. Ein National Missile Defence System, das den
ABM-Vertrag von 1972 verletzt, wäre auch nicht mehr nötig.
Nicht
auszudenken!
Die hier geäußerten Ansichten vertrete ich nicht
allein, sondern das renommierte liberale CATO-Institute ("23 Years of
Promoting Public Policy Based on Individual Liberty, Limited Government,
Free Markets and Peace"), einige fortschrittliche US-amerikanische
Politiker und manch anderer sehen die Lösung des Problems genauso. Der
prominenteste Fürsprecher ist gegenwärtig wohl der uruguayische Präsident
Herr Jorge Batlle, der in den letzten Monaten mehrfach, unter anderem auf
dem letzten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs, in Panamá, und
in einem Interview mit der mexikanischen Nachrichtenagentur EFE, anläßlich
der Einführung des neuen mexikanischen Präsidenten Herrn Vicente Fox, für
die Aufhebung der Drogenprohibition eintrat: "Die Drogen sind in erster
Linie ein wirtschaftliches Problem, das man wirtschaftlich lösen muß,
nicht anders", meinte Batlle. "An dem Tag, da die Drogen in den USA
legalisiert werden, verlieren sie an Wert, und wenn sie an Wert verlieren,
dann haben die Drogenhändler nicht mehr das Geld, das sie jetzt haben, und
wenn sie's nicht mehr haben, wird es mit den Terroristen und Guerrilleros
bald zu Ende sein." Er meinte dann noch, in Panamá: "Wir können den
Tatsachen im Leben nicht ausweichen", womit er wohl sagen wollte, daß jede
Gesellschaft die Drogensüchtigen hat, die zu ihr passen: Säufer, Raucher,
Fixer, Kiffer, Schnüffler, Drücker - mit und ohne Verbot.
Ich
meine, die anderen Konsumentenstaaten, vor allem aber die ärmeren, wie
Rußland, Usbekistan, Tadjikistan usw. sollten sofort mit der
Drogenlegalisierung beginnen. Nicht auszudenken, wie die durch Drogen
finanzierten Terroristen reagieren würden. Beispielsweise dadurch, daß sie
die Drogentransporte in die Länder, die nicht legalisiert haben und wo
deshalb für die Drogen sehr viel mehr Geld bezahlt wird, plombieren, um
nicht in den "Billigländern" das kostbare Gut zu vergeuden. Die Drogen
würden dann, wie Lenin durch Deutschland nach Rußland, durch die
CIS-Staaten und Rußland nach Europa und den USA überführt. Da ließen sich
aber die betroffenen westlichen Konsumentenstaaten rasch etwas einfallen.
Bislang erledigen nämlich Rußland und die kleinen CIS-Staaten für die
reichen Länder die Dreckarbeit des Drogenkrieges.
Ein Ergebnis der
Drogenlegalisierung wäre allerdings negativ: mindestens die Hälfte aller
spannenden Hollywoodfilme lebt heute in den Plots von Drogen und das sie
umgebende Verbrechen. Die Drehbuchautoren müßten sich neue spannende
Themen ausdenken, denn bei Jackie Brown gefundene Pülverchen wären
mega-out.
- Autorin: Dr. Gudrun
Eußner
Quelle: © Philosophischer Salon Update: Berlin, Fr.,
19.01.2001 |