2/1999 | |
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Die Mossad-Akte Israels Geheimdienst und seine Schattenkrieger | |
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Gordon Thomas: Die Mossad-Akte - Israels Geheimdienst und seine Schattenkrieger«, Lichtenberg, München 1999, DM 39,90. Klappentext: »Ein brisanter Insider-Report über den schlagkräftigsten Geheimdienst der Welt. Zum ersten Mal durften Top-Agenten des Mossad einem Journalisten Auskunft über ihre Arbeit geben. Bestsellerautor Gordon Thomas enthüllt bislang unbekannte Details über Israels legendären Geheimdienst und dessen spektakuläre Aktionen (...) Thomas hat aufgrund einzigartiger Kontakte zur Führung des Mossad die Chance erhalten, ausführliche Interviews mit Top-Agenten zu führen. Ein erstaunlicher Schritt, denn seit der Gründung des Mossad 1951 gab es von seinen Mitarbeitern weder Namen noch Biographien, noch Fotos. Nun kommen berühmte Agenten zu Wort, wie der Eichmann-Entführer Rafael Eitan. Sie berichten zum ersten Mal, wie es wirklich gewesen ist. Erfolge, Niederlagen, Pannen - nichts wird ausgespart. Ihre authentischen Geschichten machen deutlich, wie schwierig die Arbeit eines Geheimdienstes ist und warum es oft keine einfachen Erklärungen für den tatsächlichen Verlauf einer Aktion gibt. Und die Berichte enthüllen die Wahrheit über bis heute rätselhafte Verbrechen ...« »Brisanter Insider-Report«, »unbekannte Details«, die »Wahrheit über bis heute rätselhafte Verbrechen« - die Werbung übt sich nicht gerade in Bescheidenheit. Tatsache ist, daß Thomas über zahlreiche Ereignisse neue Hintergrundinformationen liefert: Lockerbie, Papst-Attentat, Ermordung des Beiruter CIA-Stationsleiters Bill Buckley, Mossad-Aktionen in Afrika, ein gescheitertes Attentat 1997 in Jordanien oder die Verbindungen des Mossad zu Henri Paul, dem Chauffeur, der 1997 in Paris zusammen mit Prinzessin Diana und Dodi al-Fayed tödlich verunglückte. Viele Geschichten sind aber auch bereits aus anderen Bücher über den Mossad bekannt: Promis-Affäre, Eichmann-Entführung, der Fall Pollard, die Rolle des Zeitungsverlegers Robert Maxwell oder die Beschaffung einer MiG 21 aus dem Irak 1966. Langeweile kommt bei der Lektüre trotzdem nicht auf. Dies liegt auch daran, daß der Autor zu erzählen weiß. Manchmal übertreibt er aber beim Versuch, Atmosphäre zu vermitteln (S. 256): »Erzbischof Luigi Poggi entstieg dem Wagen, in strenges Schwarz gekleidet, ein Schal verdeckte den leuchtend weißen Kragen (...) Seine dunklen Augen blickten so kalt, wie diese Nacht es war.« Wenn der Klappentext suggeriert, daß seit Gründung des Mossad weder Namen noch Biographien bekannt seien, so ist dies natürlich Unsinn. Zentrale Figuren aus Thomas Buch (Meir Amit, Rafael Eitan, David Kimche, Isser Harel oder Nahum Admoni) geistern bereits seit Jahren durch die Geheimdienstliteratur. Zwei Insider, Ari Ben-Menashe und Victor Ostrovsky, veröffentlichten sogar eigene Bücher. Offen bleibt die Frage, warum der Mossad von der jahrzehntelangen Praxis des Schweigens gerade jetzt abgewichen ist? Gordon Thomas (S. 386): »Im August 1994 erhielt ich einen Anruf von Zwi Spielmann. Spielmann ist eine legendäre Figur in Israel: Er zeichnete sich im israelischen Unabhängigkeitskampf aus und baute danach die israelischen United Film Studios auf (...) Er fragte mich, ob ich das Drehbuch für einen Dokumentarfilm über den Mossad schreiben wolle. Er versicherte mir, ich würde vollständig freie Hand haben ...« Ein Versuch der alten Garde, ihr Lebenswerk in rechtem Licht erscheinen zu lassen? Oder ist der Beweggrund eher taktischer Natur? Das Image des berüchtigten Geheimdienstes hat in den letzten Jahren durch verschiedene Skandale erheblich gelitten. Intern sind offenbar heftige Fraktionskämpfe im Mossad ausgebrochen. Die gibt es bereits seit Jahrzehnten, aber sie haben in den letzten Jahren an Intensität zugenommen (siehe Seiten 8, 9, 19, 132-142 oder 387). Dies dürfte nicht zuletzt mit dem Friedensprozeß zusammenhängen. Denn trotz Blockade scheint er insgesamt nicht mehr umkehrbar zu sein. Damit fallen allmählich traditionelle Mossad-Aufgaben weg, eine Neuorientierung ist unausweichlich. Einfache Leitsätze, »Auge um Auge« oder »Angriff ist die beste Verteidigung«, mögen in der Vergangenheit zu Erfolg und Mythos des Mossad beigetragen haben. Aber für eine Welt, die sich rasant verändert und immer komplexer wird, eigenen sie sich nur bedingt - wirken fast wie grobschlächtige Auslaufmodelle. Für ein gescheitertes Attentat 1997, als man im jordanischen Amman den 41jährigen Khalid Meshal mittels einer mit Nervengift gefüllten Spraydose umzubringen versuchte, mußten Israel und sein Auslandsgeheimdienst erstmals moralische Prügel einstecken. Wobei es die nicht für den eigentlichen Versuch, sondern wohl eher für die dilettantische Durchführung gab. Das Buch von Gordon Thomas, dem leider ein Personenregister fehlt, ist ein mehr oder weniger offenes Plädoyer für eine Modernisierung des Mossad. Die Insider erzählen von alten »ruhmreichen« Mossad-Aktionen und plaudern nebenbei die Flops der jüngeren Vergangenheit aus. Vor allem der Teil des Mossad, der zu Ex-Premier Benjamin Netanjahu ein gespanntes Verhältnis unterhielt (s. Seite 19), dürfte zufrieden mit dem Buch von Thomas sein. Für den sind »geheime Informationen der Schlüssel zum vollständigen Verständnis internationaler Beziehungen, globaler Politik, der Diplomatie - und natürlich des Terrorismus«. Ein fundamental kritisches Buch darf man daher nicht erwarten. Dafür ein kurzweiliges - und das ist es auch. C.H. | |
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