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Aktuelles
Aktuelle Sonderseite zu den Terroranschlägen in den USA und dem Rachekrieg der Regierungen der USA und Grossbritanniens Sonderseite zu Mazedonien
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Trotz von uns geteilter Kritik an der Person Hatzinger haben wir beschlossen, den Cartoon drinzulassen, da er die derzeitige Situation auf den Punkt bringt.
Die erste Welle des Vergeltungskriegs

Stellungnahme und Kurzanalyse von der Informationsstelle Militarisierung(IMI) e.V.

Pressemitteilung und Rundmail der IMI-Mailingliste (08.10.2001)

1. Die Angriffe und die Bundeswehr

Am 07.10.2001 ab 18.30 Uhr haben Truppen der USA und Großbritanniens Afghanistan angegriffen. US-Truppen (Luftwaffe, Marine, Kommandotruppenund (Elite-)Truppen des Heeres) in der Größenordnung von 30.000Soldat/inn/en waren seit dem 11. September rund um Afghanistan aufmarschiert. Die völkerrechtswidrigen Angriffe wurden von US-Truppen und britischen Truppen durchgeführt.Ein bei den Angriffen auf Afghanistan beteiligter Pilot eines amerikanischen B-52-Bombers meinte in einer Telefonkonferenz mit dem US-Kriegsministerium: "Alles lief wie eine gut geölte Maschine, fast genauso wie im Training", "wie geschmiert". "Unser Training hat sichausgezahlt. Es erschien alles sehr vertraut."Die Bundeswehr nimmt an den eigentlichen Angriffsaktionen noch nicht teil, wie Bundeskanzler Gerhard Schröder - fast bedauernd - mitteilte. Am Angriffskrieg gegen Afghanistan ist sie dennoch schon jetzt beteiligt, da logistische Hilfe für die Angriffe von deutschen, französischen, kanadischen und australischen Einheiten kam. Schröder kündigte eine Teilnahme der Bundeswehr an den Angriffen an, sobald dies von der US-Regierung gewünscht sei.

2. Solidarität nicht mit der US-Regierung sondern mit den Betroffenender Anschläge

Schröder wiederholte seine Formel von der "uneingeschränktenSolidarität" mit der US-Regierung. (Was ist eigentlich eine eingeschränkte Solidarität?)

Friedbert Pflüger attestiert in einem Gastkommentar in der FAZ allen, die sich nicht für die Kriegspolitik der US-Regierung als Reaktion aufdie brutalen Anschläge in New York und Washington einsetzen eine "Verwirrung des Geistes": "Radikaler Pazifismus, Weltfremdheit,Werterelativismus, Antiamerikanismus, Appeasement, Angst, auch Hartherzigkeit - die Verwirrung des Geistes greift um sich. (...) An dergrundsätzlichen Haltung darf kein Zweifel bestehen. Wir dürfen angesichts des Massenmordens vom 11. September nicht neutral sein." 

Noch einmal: Wir sind solidarisch mit den Opfern und Betroffenen der brutalen Anschläge in New York und Washington (die im Übrigen sehrinternational zusammengesetzt waren). Wir sind aber nicht solidarisch mit einer US-Regierung, die begonnen hat, einen Rache- und Vergeltungskrieg zu führen. Ebenso wenig solidarisch sind wir mit der deutschen Bundesregierung, die den Vergeltungskrieg mit führen will.Terror wird durch Krieg nicht bekämpft, im Gegenteil, neuer Terror wird verursacht. 

Der Krieg der USA mit Hilfe der NATO ist eine kurzsichtige und arrogante Manifestation der (militärischen) Stärke. Keinem der Opfer vom 11. September ist geholfen durch neue Tote.

3. Die offiziellen Ziele der Angriffe

Bombardiert wurden Städte in allen Regionen Afghanistans: Kabul, Kandahar (Süden), Dschalalabad (Osten), Farah (Westen), Masar-i-Scharifund Kundus (Norden an der Grenze zu Tatschikistan). "Osama Bin Laden selbst ist nicht Ziel der ersten Angriffswelle gewesen", so US-Präsident George W. Bush. George W. Bush sprach davon es seien "sorgfältige gezielte Aktionen" "gegen das Netzwerk der Terroristen um Osama bin Laden und militärische Einrichtungen des Taliban-Regimes". Es heißt, Ziel der Angriffe seien,so US-Kriegsminister Donald Rumsfeld: "Flugabwehrsysteme, Flugzeuge und Stützpunkte von Terroristen". Zudem solle das "militärische Kräfteverhältnis" "zu Gunsten der oppositionellen Nordallianz verändertwerden". 

Wir sehen (wieder) nicht, was bombardiert wurde, welchen Schaden die Bomben angerichtet haben. Wir glauben - insbesondere nach denErfahrungen früherer Kriege (Golfkrieg, Jugoslawienkrieg) und der Ankündigung der US-Regierung "wir werden lügen" zuerst einmal nichts, was uns die Kriegsparteien sagen. Die Medien sind aufgefordert nicht parteiisch auf der Seite "des Westens" über den Krieg zu berichten. Das erste Opfer jedes Kriegs ist die Wahrheit.

4. Die Verbündeten der Kriegsallianz

Vom Angriffskrieg der USA und Großbritanniens waren "engste Verbündete" vorab informiert worden: Präsident George W. Bush telefonierte vor dem Kriegsbeginn u.a. mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem NATO-Generalsekretär George Robertson, mit dem außenpolitischen EU-Beauftragten Javier Solana, mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem französischen Präsidenten Jacques Chirac, dem jordanischen König Abdullah II. und dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon. Auch die neuen Freunde der USA, die afghanische Nordallianz, die jetzt direkt von den USA militärisch aufgerüstet wird, war vorab informiert worden. 

Besonders erschreckend die Stellungnahme des neuen engen Verbündeten der USA, der russischen Regierung zu den Angriffen in Afghanistan: "Die Terroristen in Afghanistan, Tschetschenien, im Nahen Osten, auf dem Balkan oder wo auch immer müssen wissen, dass sie ihr gerechtes Urteil erhalten werden." Hier werden unterschiedlichste politischeZusammenhänge zusammengeschmissen und zu einem "Anti-Terror-Brei" vermengt.

5. Zivilisten und die Angriffe und die Nöte mancher "Mitkrieger"

Die Nordallianz teilte denn auch mit, die US-Angriffe wären "treffgenau" gewesen und es habe keine Meldungen über getötete Zivilisten gegeben. Die pakistanische und die chinesische Regierung äußerten - aus jeweils anderen Motiven - der Militäreinsatz solle sich nur gegen "bestimmte Ziele" richten, "um keine unschuldigen Zivilisten zu verletzen", so die chinesische Regierung. Das Regime des pakistanischen Militärputschisten General Pervez Musharraf, ebenfalls neuer Freund des Westens, "hoffe" -wohl insbesondere aus innenpolitischen Gründen "die amerikanische Offensive werde kurz sein und die Zivilisten schonen". Fast wortgleich äußerte sich Rezzo Schlauch, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90 / DieGrünen: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Zivilbevölkerung soweit wie möglich geschont wird". All diese Aussagen sind naiv-gefährliches Wunschdenken.

Erfahrungsgemäß (vgl. Golfkrieg und NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien) sind jedoch zumeist Zivilisten Opfer (sogenannte "Kollateralschäden") angeblich "punktgenauer Militärschläge". Um 04.00Uhr MESZ wurde bestätigt, es hat tote Zivilisten gegeben.

6. Der lange - nichtöffentliche - Krieg und der Mythos 'saubere Kommandounternehmen'

Die US-Regierung wies darauf hin, daß diese Angriffe erst der Beginn "eines langen Krieges gegen Terrorismus" seien. Unsere Einschätzung ist, daß wir derzeit nur den Beginn eines langen Krieges erleben, der aber nicht immer so sichtbar sein wird, wie der jetzige Beginn. Der kommende Krieg wird so tun, als ob er keiner sei. Nach den jetzigen Bombardierungen, die vermutlich mehrere Tage andauern werden, wird es wohl zu nichtöffentlichen Kommandounternehmen kommen. 
Teilnehmen daran werden auf jeden Fall die in der Nähe des Kriegsgebietes befindlichen Spezialeinheiten Delta Forces aus den USAund SAS aus Großbritannien und womöglich französische Eliteeinheiten und vielleicht des Kommando Spezialkräfte (KSK) aus Deutschland. Diese Kommandounternehmen sind eine hochgefährliche Angelegenheit. 

Theorien von "schönen" James-Bond-Aktionen - wie sich das manche vorstellen - sind das eine, die Praxis das andere: Der Noch-Kommandeur der Kommando Spezialkräfte Reinhard Günzel hat kürzlich in einem Interview gegenüber Spiegel-online verbotenerweise ausgeplaudert, er hielte eine Ergreifung Bin Ladens "ohne erhebliche eigene Verluste in Kauf zu nehmen, zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunktfür so gut wie unmöglich". "Dies sei unter Spezialkräften Amerikas, Israels, Frankreichs und Großbritanniens weitgehend übereinstimmende Auffassung." Er befürchte bei einem KSK-Einsatz in Afghanistan einBlutbad. Jede/r Zivilist/in, der sie entdeckt, muß von den Kommandosoldaten als "Feind" behandelt werden, schließlich darf nicht herauskommen, wo sie agieren. Saubere Kommandounternehmen sind ein Mythos, sie sind nur eine weniger öffentliche Form der Kriegsführung. Blutig sind sie allemal. (Näheresdazu in Pflüger, Tobias: "Der Mythos 'saubere Kommandounternehmen' - DasKommando Spezialkräfte der Bundeswehr", in: Zivilcourage extra 2001(Zeitschrift der DFG-VK), auch im Internet unterhttp://www.dfg-vk.de/zc/2001-06/12.pdf oderhttp://www.imi-ev.de/download/12.pdf)

7. "Low intensity conflict"

Die US-Regierung begleitet ihren Kriegseinsatz mit Hilfsgütern für die Bevölkerung. Die Angriffe seien nämlich nicht gegen die Bevölkerung gerichtet. Das ist militärischer Unsinn, aber die Weltöffentlichkeitglaubt es wohl. Donald Rumsfeld teilte mit, daß sofort nach den Attacken Hilfsgüter für die Bevölkerung abgeworfen wurden. Daneben wird die klassische Strategie der "low intensity conflicts"betrieben. Es ist von "umfangreichen Aufklärungskampagnen" die Rede. Kriegspropaganda nannte man das früher. Flugblättern und batterie-unabhängige aufziehbare Radios wurden abgeworfen. Damit soll die Bevölkerung Nachrichten des US-Militärs in der Landessprache empfangen könne, die von einem speziellen Flugzeug aus ausgestrahlt werden. Ralf Bendrath hat auf die Relation hingewiesen: Zwei US-Flugzeuge werfen Lebensmittel und Medikamente ab, 40 andere Bombenund Marschflugkörper. Die US-Regierung sagt, sie wolle das Taliban-Regime stürzen. In der südwestafghanischen Stadt Sarandsch sind nach Angaben der amtlichen iranischen Nachrichtenagentur IRNA nach Beginn der US-Angriffe Kämpfe zwischen Einwohnern und den Taliban ausgebrochen. "Etwa 150 Afghanen versuchten die Taliban aus der Stadt zu treiben, meldete IRNA unter Berufung auf afghanische Kreise."Ein Sturz der Taliban-Regierung ist nicht so einfach möglich. Es darf nicht vergessen werden: Die USA haben schon einmal signalisiert, sie wollten ein Regime stürzen und wiegelten Menschen zu Aufständen auf, was zu vielen Toten führte. Am Ende des Golfkriegs 1991 gegen den Irak lies der Vater des jetzigen Präsidenten, Colin Powell war ebenfalls als damaliger General beteiligt, Saddam Hussein dann doch lieber im Amt.

8. Flüchtlinge als erste Opfer der Angriffe

Das Problem in Afghanistan ist ein anderes: Nach Ankündigung der Angriffe durch die USA und Großbritannien haben die Flüchtlingszahlen enorm zugenommen: Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerk Unicef sind derzeit schätzungsweise 900.000 Menschen aus ihren Dörfern geflohen. "Rund 1,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren bräuchten sofortige Hilfe, um den kommenden Winter zu überleben, mahnte der Unicef-Sonderbeauftragte Nigel Fisher." "Etwa 7,5 Millionen Menschen seien durch die anhaltende Dürre und den Bürgerkrieg gefährdet, warnte das UN-Welternährungsprogramm (WFP) am Donnerstag. "Statt einer Bombardierung des armen Landes sind konkrete Hilfen für die Flüchtlinge und die normale Bevölkerung notwendig.

Dominic Johnson kommentiert in der taz die in Aussicht gestellten Hilfsgelder: "Peinlich dabei ist nur, dass die Geber vor dem 11.September die Afghanistan-Appelle der Hilfsorganisationen genausoignorierten wie heute die aus Afrika. Zudem decken die neuen Gelder zum Teil Folgekosten des drohenden Krieges - die UN hat kalkuliert, dass als Ergebnis eines Militärschlages die Zahl der Notleidenden in Afghanistanvon 5,5 auf 7,5 Millionen Menschen steigen könnte." "Aber Soldaten undHilfspakete zu verschicken und eine innerafghanische Warlord-Fraktion gegen die andere aufzurüsten ersetzt nicht die Notwendigkeit, jenseitsvon Exilanten und Interessengruppen die afghanische Bevölkerung selbst zur Zukunft ihres Landes anzuhören. In dieser Richtung kommt von der globalen Anti-Terror-Koalition bisher wenig. Bei ihren Zielen kommen Begriffe wie Demokratie nicht vor. Das wenigstens eint die Afghanen mit den Bewohnern afrikanischer Kriegsgebiete, die viel von der auswärtigen Mischung aus Aufdringlichkeit und Ignoranz bereits hinter sich haben, die den Völkern Zentralasiens wohl noch bevorsteht.

"Nicht "Brot und Bomben" sondern "Brot statt Bomben" sind notwendig! Diese benannte "Mischung aus Aufdringlichkeit und Ignoranz" der westlichen Politik gegenüber weniger reichen Regionen muß endlich in Frage gestellt werden.

9. Jetzt gegen den Krieg aktiv werden

Die Kriegskoalition steht, weltweit und in Deutschland. Der "Krieg gegen den Terror" wird skrupellos genutzt um so manche andere politische Frage en passant mit zu verschärfen. Das innenpolitische Klima hat sich spürbar verschärft, die Rasterfahndung z.B. an Universitäten ist hier nur ein Beispiel. Der Journalist René Heilig hat die geplanten Aktionen der Regierenden gegen den Terrorismus sehr richtig mit "Anti-Terror läuft Amok" beschrieben. Diesem Amoklauf gilt es nun auf allen politischen Ebenen entgegenzutreten. Jetzt gilt es besonnen auf die sich verschärfende innen - undaußenpolitische Situation zu reagieren und wo immer möglich gegen den "ersten Krieg des 21. Jahrhundert" und seine innenpolitischen Folgen mobil zu machen. Viele Menschen wollen keine Rache und keinen Krieg, sie wollen Gerechtigkeit. Klare eindeutige Antikriegspositionen gegen jegliche Militäraktionen sind gefordert.

Es wird verschärfte auch gegen Kriegsgegner/innen verletzende Debatten über den Krieg und die politischen Folgen geben. Es werden "Einfallstore" mit dem Ziel einer Verstummung des Antikriegsprotestes aufgemacht werden. Trotzdem und gerade deshalb ist es notwendig die gesamte Klaviatur politischer Möglichkeiten gegen den laufenden Krieg zu spielen:

Antikriegsaktionen wie Mahnwachen, Demonstrationen, Kundgebungen, Blockaden von Militärstützpunkten, Informationsarbeit, Aufklärung, Aufrufe zur Kriegsdienstverweigerung und Desertion sind notwendig.

Heute ist der Tag X: In vielen Städten gibt es Demonstrationen und Kundgebungen gegen den Krieg um 17.00 oder 18.00 Uhr

Ganz wichtig ist es, daß die bundesweiten Großdemonstrationen am 13.Oktober in Berlin und Stuttgart ein deutliches Zeichen gegen den Krieg werden. (Nähere Informationen u.a. unter http://www.imi-online.de/2001id?164)

gez. Tobias Pflüger (mit Ideen von weiteren IMI-Vertreter/innen)
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Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. : 
Vorkriegszeit:
Der Wendepunkt der Weltpolitik hin zu mehr Gewalt
Aktualisierte Fassung vom 18.09.2001 (Erstfassung vom 12.09.2001)

1. Die Mega-Anschläge und die Opfer

Die brutalen Flugzeug-Anschläge bzw. Mega-Attentate (keines dieser Worte trifft die riesige Tragödie richtig) auf das World Trade Center, das Pentagon etc. in den USA am 11. September 2001 sind aufs Schärfste zu verurteilen. Es hat wohl Tausende Tote gegeben. Es ist entsetzlich. In diesen Tagen und Stunden sind unsere Gedanken und Mitgefühle bei den Toten, den Ermordeten, den Verletzten und ihren Angehörigen und Freund/innen. Die Anschläge und ihre Folgen hinterlassen einen in Fassungs- , Rat- und Sprachlosigkeit. Wer meint, solche Mega-Morde politisch begründen zu können, irrt total. Jegliche Rechtfertigung, Genugtuung oder Freude ist völlig fehl am Platz. Solche Anschläge sind ausschließlich menschenverachtend und barbarisch. 

2. Die möglichen Täter

Für eine Durchführung dieser unvorstellbaren Anschläge sind umfassendes Know-How (als Piloten, als Techniker etc.), genaue Koordination, Logistik und totale Skrupellosigkeit erforderlich. Wer ist dazu in der Lage? Direkt nach den Anschlägen war in den Medien über die "üblichen Verdächtigen" spekuliert worden. Zuerst waren "die Palästinenser" im Blickfeld. Es ist fatal ganze Gruppen von Menschen bestimmter Herkunft für diese Mordanschläge verantwortlich machen zu wollen oder sie zu verdächtigen. Die Form der Spekulationen in einigen Medien war und ist zum Teil hochproblematisch. Es ist dringend vor Vorverurteilung zu waren. Derzeit (18.09.2001, 00.00 Uhr) geben die us-amerikanischen Ermittlungsbehörden an, hinter diesen Mega-Anschlägen auf Symbole der US-Macht stecke Osama bin Laden. Im Gegensatz zur US-Regierung und US-Polizei sieht der bundesdeutsche Generalbundesanwalt Kay Nehm "noch keine eindeutige Verbindung zum Hauptverdächtigen Osama bin Laden" (AP, 16.09.2001). Offensichtlich sind weitere Fakten und Hintergründe notwendig, um wirklich sagen zu können, wer hinter den Terroranschlägen steckt. Andere Spuren z.B. in Richtung rechtsextreme Kreise wurden offensichtlich nie in Betracht gezogen. 

Die Frage, was jemanden oder eine Gruppe dazu bringt, solche Mega-Anschläge durchzuführen, muß gestellt werden. Auch muß die Frage erlaubt sein, warum gerade die USA (und dort gerade das World Trade Center und das Pentagon) Ziel dieser Mega-Anschläge geworden sind. Sollte Osama Bin Laden hinter diesen Anschlägen stecken, muß kritisch angemerkt werden: Die US-Regierung haben über Jahre ihn und seine Komplizen finanziert und aufgebaut, als er nützlich erschien, um in Afghanistan gegen die Invasion der Armee der Sowjetunion zu kämpfen. Ähnliches gilt für die Unterstützung von Saddam Hussein durch die USA und für andere Gruppen, die einst "nützlich" erschienen. Jetzt zeigt sich der Effekt, dass die herbeigerufenen Zauberlehrlinge nicht mehr beherrschbar sind und sich gegen ihre einstige Ziehväter wenden. Es muß endlich Schluß sein mit einer doppelbödigen Moral in der internationalen Politik, die die Attribute "gut" und "böse" je nach aktueller Weltlage oder Opportunität verteilt.

3. Die mögliche Reaktion der US-Regierung

Die weltpolitische Lage hat sich nun grundlegend geändert. Der 11. September 2001 ist wohl der Wendepunkt der Weltpolitik hin zu mehr Gewalt. Eine zentrale Frage lautet nun: Wie wird die US-Regierung reagieren? Es ist zu befürchten, daß sie in heftigster Form Rache üben wird. Die aussen- und friedenspolitischen Implikationen dieser Mega-Anschläge könnten furchtbar sein. Die Aussen- und Wirtschaftspolitik, aber insbesondere auch die Militärpolitik der Administration des derzeitigen US-Präsidenten George W. Bush waren schon bisher so, daß sie selten nach den Folgen ihrer Politik für Menschen außerhalb der USA, insbesondere in Gebieten ausserhalb der westlichen Staaten fragte. Die Schwelle für die Anwendung von (militärischer) Gewalt war für die(se) Regierung der USA bisher immer sehr niedrig. Es ist zu befürchten, daß sich die Militärpolitik der USA weiter verschärfen wird. Weitere und direktere Kriege der US-Regierung gegen vermeintliche oder tatsächliche Gegner, staatlicher oder nichtstaatlicher Art, sind nach den brutalen Mega-Anschlägen leider sehr viel wahrscheinlicher geworden. 

4. Terroranschläge als NATO-Bündnisfall?

Die NATO hat entschieden die Anschläge als "gemeinsamen Verteidigungsfall nach Art. 5 des NATO-Statutes" zu interpretieren, wenn sich "erweise, dass die Anschläge aus dem Ausland auf die USA gerichtet waren." Im Artikel 5 des NATO-Vertrages ist aber von einem "bewaffneten Angriff" die Rede", auch bezieht sich der Artikel 5 auf Angriffe von außen von anderen Staaten. 

Wir befürchten jetzt eine noch größere Eskalationsgefahr auch in diesem Land. Mit der Ausrufung einer Artikel 5 Situation der NATO werden zugleich eine ganze Reihe von innenpolitischen Regelungen und außenpolitischen Beistandsverpflichtungen wirksam. Deutschland zieht bei einem militärischen Vergeltungsschlag und direkter oder indirekter deutscher Hilfe mit in einen Rachefeldzug. Rache und Vergeltung sind vollkommen falsche Antworten auf Terroranschläge. Die Reaktion der USA und der NATO wird zeigen, ob die Regierungen der westlichen Staaten wirklich "zivil" bzw. "zivilisiert" sind.

5. Verwundbarkeit der hochtechnisierten Welt 

Die Mega-Anschläge zeigen die Verwundbarkeit der hochtechnisierten Welt. Der zivile und militärische Flugverkehr werden nach dem 11. September 2001 nicht mehr so durchgeführt werden können wie zuvor. Kommunikation, Mobilität und Finanzverkehr - drei zentrale Momente der westlichen Welt waren und sind durch diese Mega-Anschläge deutlich beeinträchtigt (Telefonverkehr und Internet waren und sind wegen Überlastung zum Teil zusammengebrochen, die Finanzmärkte spielen verrückt - nein, sie folgen ihrer eigenen immanent makabren Logik: die Kurse der Rüstungsfirmen und der Ölmultis steigen!) .

6. Die innenpolitischen Implikationen der Anschläge

Die innenpolitische Situation in den USA wird sich stark verschlechtern. Aber auch das innenpolitische Klima in Deutschland wird sich enorm verschärfen. Repressionen gegen Menschen bestimmter Herkunft und gegen alle die berechtigte Kritik an der Politik der US-Regierung haben, sind zu befürchten. Erste Übergriffe auf Menschen arabischer Herkunft in den USa aber auch in Deutschland werden gemeldet. Jetzt werden viele diese Anschläge für ihre Politik instrumentalisieren, z.B. für eine verstärkte innen- und aussenpolitische Aufrüstung. Eine weitere Stärkung von Polizei und Militär, die Militarisierung wird wieder weiter vorangetrieben werden. 

Nein, es sind keine militärischen Reaktionen vonnöten, notwendig ist der Abbau wirtschaftlicher Ungleichheiten in der Welt. Statt repressiver und militärischer Reaktionen ist eine Veränderung von politischen Strukturen hin zu mehr Gerechtigkeit vonnöten.

Die groß erklärte Freiheit, die Globalisierung, ist zumeist nur eine Freiheit, eine Globalisierung, des Handels, nicht der Menschen und dieser Handel, diese Globalisierung hat seine/ihre Opfer. 

Es ist Gerhard Schröder und Joschka Fischer entschieden zu widersprechen: Nein, es geht nicht um Solidarität mit dem Staat USA, oder der Regierung der USA, um Solidarität der "zivilisierten Welt". Nein, es geht um Solidarität mit den Menschen, die von den Anschlägen betroffen sind. 



Text: Tobias Pflüger u.a. nach Diskussion mit einigen IMI-Vertreter/innen, 12.09.2001


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