Einleitung
Ein 'normaler' Verkehrsunfall brachte am 3. November 1996 ans Tageslicht, in welchem Ausmaß die extreme Rechte, der Sicherheitsapparat, die Mafia und die Politik in der Türkei miteinander verstrickt sind. Nach dem Unfall fand man im Autowrack drei Tote: Hüseyin Kocadag, einen hochrangigen Polizeioffizier, der das Kommando über die Antiguerilla-Einheiten innegehabt hatte, Abdullah Çatli, ein ehemaliger Militanter der Grauen Wölfe, der neben politisch motivierten Morden in den siebziger Jahren auch dem Papst-Attentäter Mehmet Ali Agca zur Flucht verhalf und wegen Heroinschmuggels auf der roten Fahndungsliste von Interpol stand. Eine weitere Tote war seine Freundin Gonca Us, eine frühere Schönheitskönigin. Der vierte Insasse des Wagens, Sedat Bucak, hat den Unfall schwerverletzt überlebt. Er ist Abgeordneter der Partei des Rechten Weges (DYP) von Außenministerin T. Çiller und kurdischer Kriegsherr, dessen Miliz gegen die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) kämpft. Abdullah Çatli, der ehemalige Führer der Grauen Wölfe, trug einen auf den Namen Mehmet Özbay ausgestellten gefälschten Paß, einen Dienstausweis der Polizei und einen Grünen Paß, mit dem er ungehindert in andere Länder einreisen konnte.
Die türkische Außenministerin Tansu Çiller rühmte Çatli in höchsten Tönen. "Wir werden uns immer voller Hochachtung an jene erinnern, die im Namen dieses Landes, dieser Nation, dieses Staates Kugeln abfeuern oder Wunden erhalten"', sagte sie und bestätigte damit indirekt, daß höchste türkische Staatsorgane sich der Dienste der Mafia versichern. Zu eng ist die nun auch öffentlich eingestandene Verbindung der aus MHP-Kreisen sich rekrutierenden ülkücü-mafya (Idealisten-mafia) und Todesschwadronen zu den Apparaten der Staatssicherheit und der politischen Führung. Obwohl seit Jahren oppositionelle Zeitungen und Zeitschriften entsprechende Fakten veröffentlichten, wurden diese 'offenen Geheimnisse' jahrelang totgeschwiegen oder als 'terroristische Propaganda' abgestempelt. Die türkische Mafia stellt insofern eine Besonderheit dar, als sie sich aus den Reihen der faschistischen Grauen Wölfe rekrutiert und nicht nur kriminell, sondern auch politisch motiviert ist. Wie ist die Beziehung der Faschisten zum Staat und der staatlich gelenkte Terror in der Türkei möglich geworden? Um diese und ähnliche Fragen zu beantworten, ist ein kurzer Rückblick nötig: Mehr als vier Jahrzehnte lang spielte die Türkei eine wichtige strategische Rolle als das am weitesten vorgeschobene Bollwerk des Westens gegen die Sowjetunion. Die MHP (Partei der nationalistischen Bewegung), an deren Spitze der erst kürzlich verstorbene Armeeoberst Alparslan Türkes stand, vertrat eine großtürkische Ideologie und verlangte von der UdSSR die Rückgabe von 'türkischen' Gebieten. Dem Westen kamen die Anhänger der großtürkischen Ideen gerade Recht, um das Aufbegehren der türkischen (muslimischen) Minderheiten in den Sowjetrepubliken zu schüren.
Unter den legalen Bedingungen des Kalten Krieges wurde der Staatsterror praktisch institutionalisiert. Das lief unter dem Namen des Anfang der neunziger Jahre aufgedeckten NATO-Geheimbundes Gladio, dessen türkischer Ableger Anti-Terror-Organisation hieß und dann in Amt für besondere Kriegsführung (Spezialkriegsbehörde) umbenannt wurde. Die Mitglieder dieser paramilitärischen Organisation werden seit den sechziger Jahren vorwiegend aus den Reihen der Grauen Wölfe rekrutiert, die in den siebziger Jahren zahlreiche Intellektuelle und Arbeiterführer ermordeten. Der ehemalige CIA-Chef William Colby erklärte: "Damit die Türkei nicht in die Hände der Kommunisten fällt, werden antikommunistische Organisation unterstützt."'
Mit der Entwicklung des kurdischen Widerstands wurde die MHP wieder verstärkt mobilisiert und als politisches Instrument hoher Militärs im Rahmen der sogenannten Konterguerilla eingesetzt. Längst haben die türkischen Faschisten die türkischen Grenzen überschritten und organisieren sich auch im Ausland. Das dient sowohl der finanziellen und logistischen Unterstützung als auch der offiziellen Staatspolitik. Die Öffentlichkeit nimmt aber kaum Notiz davon.
Im Gegensatz zu den 70er Jahren, in der es eine antifaschistische Mobilisierung gab und die MHP in der türkischen und deutschen demokratischen Öffentlichkeit geächtet war, sind die türkischen Faschisten heute in breiten Teilen der türkischen Bevölkerung als "die treuesten und besten Verteidiger der Heimat" akzeptiert. Aus einer antikurdischen Haltung heraus haben inzwischen fast alle rechts-konservativen und islamischen Parteien und Organisationen die Politik der faschistischen MHP übernommen. Parolen wie 'Türkei den Türken' erinnern sehr an den deutschen Nationalismus, der in der Öffentlichkeit jedoch weitaus mehr Beachtung findet. Dabei sind die türkischen Faschisten genauso brutal wie ihre deutschen 'Kameraden'.
Mit Hilfe der Grauen Wölfe kann das türkische Regime auch im Ausland Menschen verfolgen und bedrohen. Im Juli 1993 beschloß der Nationale Sicherheitsrat der Türkei, eine Spezialarmee (Konterguerillaarmee) aus MHP-Kräften zu bilden, und verkündete, daß diese Spezialkriegsbehörde ihre Angriffe auch gegen Oppositionelle (besonders gegen die PKK) im Ausland richten werde.
Wie eine neue Repräsentativumfrage des Bielefelder Jugendforschers Wilhelm Heitmeyer zeigt, halten 68% der türkischen Jugendlichen, die schon oft seit ihrer Geburt in der Bundesrepublik leben, eine 'starke türkische Nation' eindeutig für wichtiger als eine demokratische Staatsform.
Ursache für die Entwicklung des türkischen Nationalismus ist u. a. die sich ständig zuspitzende Situation in der Türkei und in Kurdistan, die sich auf Westeuropa und speziell die BRD auswirkt. Das Buch beschreibt die Entwicklung des türkischen Nationalismus von der jungtürkischen 'Revolution' bis zum heutigen Tag. Es analysiert die Entstehungsbedingungen, die Aktivitäten und die Ziele der faschistischen türkischen Bewegung und beschreibt die Aktivitäten faschistischer türkischer Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland.
Das Ziel des vorliegenden Buches ist es, das wahre Gesicht des türkischen Nationalismus aufzuzeigen, und allen Interessierten Informationen zu geben, die für den Widerstand gegen den Nationalismus und Faschismus unerläßlich sind.
Zu dem "Buch Graue Wölfe heulen wieder"
Türkische Faschisten und ihre
Vernetzung in der BRD
Veranstaltung am 9.10.1997 im Buchladen 20 Uhr
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Fikret Aslan und Kemal Bozay
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