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aus WDR 3

v. 05.08.1999

Gangster werden Polizisten und Verbündete der Nato: Über die engen Beziehungen der UÇK, aber auch Ibrahim Rugovas, zum internationalen Drogen- und Waffenhandel berichtete Vlado Konstantinovic für das »Kritische Tagebuch« von WDR 3.
Der Beitrag wurde am 5.8.99 gesendet.

Ein sonniger Morgen in Pristina. Im Straßencafe »Corso« genießt der Sprecher des US-amerikanischen State Departement, James Rubin, seinen Espresso mit seinen Freunden, den Anführern der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK, wie sie sich selber nennt. Gerade war bekannt gegeben worden, daß die UÇK zwar demilitarisiert, jedoch keineswegs ganz entwaffnet oder aufgelöst werden soll - vielmehr soll aus ihr die neue demokratische Kosovo-Polizei entstehen. Die Passanten spenden Applaus für diese Demonstration der albanisch-amerikanischen Freundschaft. Daß die UÇK seit Jahren nachgewiesenermaßen an schwerwiegenden Verbrechen beteiligt ist, spielt James Rubin herunter. Auch sei die Bedeutung der Kontrollpunkte und der Nacht-und-Nebel-Aktionen der UÇK, wobei Nicht-Albaner täglich abgefangen, entführt und umgebracht werden, maßlos überbewertet worden.

Führende US-Zeitungen - u. a. die »New York Times«, die »Washington Post« oder die »Herald Tribune« - konkurrieren seit Wochen mit Enthüllungen über die UÇK und ihre dubiosen Geschäfte mit der kosovo-albanischen Mafia, sowie über ihre Kontakte zu der islamistischen Terrororganisation des Feindes Nummer 1 der USA, dem aus Afghanistan agierenden saudi-arabischen Multimillionär Ossama Bin Laden. Rubin bleibt gelassen:

Diese Presseberichte sind uns zwar bekannt, doch darüber liegen uns keine gesicherten Erkenntnisse unserer Geheimdienste vor.

Doch die amtliche US-amerikanische Agentur zur Drogenbekämpfung, die DEA (Drug Enforcement Administration), warnt in einem offiziellen Bericht vor organisierten Drogenkartellen der Kosovo-Albaner, deren Einfluß sich auch in den USA rasch ausbreitet, nachdem sie die Drogenmärkte in Europa fast völlig unter ihre Kontrolle gebracht haben. Und bereits vor zwei Jahren hieß es in einem Bericht des deutschen Bundesnachrichtendienstes:

Die albanische Mafia steuert den Heroinhandel, den sie als Tauschgeschäft gegen Waffen abwickelt, von ihren Stützpunkten in Albanien, Mazedonien und vor allem in der serbischen Provinz Kosovo aus. Sie hat in zahlreichen westeuropäischen Ländern die notwendige Vertriebsstruktur, - so vor allem in Italien, der Schweiz und in Deutschland. Die muslimischen Albaner im Kosovo nutzen ihre weltweiten Verbindungen, um mit illegalen Geschäften ihren Lebensunterhalt, ihre separatistischen Aktivitäten - zum Beispiel Waffenkäufe - oder eine Flucht zu finanzieren.

Ähnliches erfährt man auch von der Sonderkommission zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ethnischer Albaner beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden, und eine Aktion des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen entdeckte im Juni ein weitverzweigtes illegales »Underground-Bankennetz« der Kosovo-Albaner:

Die über die illegalen Geschäfte aus Deutschland in den Kosovo oder nach Albanien transferierten Gelder dürften locker bei über einer Milliarde im Jahr liegen. Sie werden zur Unterstützung von Familien, zu wirtschaftlichen Zwecken, zum Kauf von Militärgerät oder auch zur Geldwäsche außer Landes geschafft.

Wer das Geld hat, hat die Macht und das Sagen. Nach dieser Maxime erläutern die Experten des in Paris ansässigen OGD, des Observatoire Geopolitique des Drogues, die Ereignisse auf dem Balkan. Ihr Fazit: Neben den Kosovo-Clans liegt der Drogen- und Waffenhandel in Jugoslawien ausschließlich in den Händen der jugoslawischen Geheimdienste. Das bestätigen auch hochrangige Ex-Geheimdienstler in Belgrad. Unter dem Deckmantel des Zigarettenschmuggels und Vertriebs sind parallel riesige Mengen Heroin in Umlauf gebracht worden. Die jugoslawische Geheimpolizei habe einerseits mit den kosovo-albanischen Clans gute Geschäfte gemacht und sie andererseits bekämpft.

In der Tat rühmte sich im Sommer 1998 UÇK-Sprecher Jakup Krasniqi, der Nachschub von Waffen und Ausrüstung sei für die Rebellenarmee kein Problem, man habe sogar auch bei Serben eingekauft. Über irgendeinen Diebstahl aus den Armeedepots Jugoslawiens ist nie berichtet worden. Doch die Zusammenarbeit der serbischen und der kosovo-albanischen Undercover-Geschäftemacher führte zu einem erbitterten Konkurrenzkampf und letztendlich dazu, daß der brüchige Frieden im Kosovo verloren ging.

Im Frühjahr 1997 soll es in Belgrad bei einem geheimen Treffen der serbischen und kosovo-albanischen Drogen- und Waffenbarone zu einer Art Abrechnung ä la St.-Valentinstag im Chicago der 30er Jahre gekommen sein. Dabei seien mehrere albanische Bosse auf der Strecke geblieben. Als daraufhin auch die letzten Kosovo-Albaner aus den jugoslawischen Geheimdiensten entfernt wurden, begingen die Serben einen weiteren katastrophalen Fehler, meint Bozidar Spasic, ehemaliger Ressortleiter für Terrorismusbekämpfung des jugoslawischen Geheimdienstes.

Thaci mit Paten
Im Waffen und Drogen-Clan groß geworden: Bandenchef Thaci mit seinem Paten, Berlin, 6.9.99

Der endgültige Auslöser für den offenen Kampf kam mit der brutalen serbischen Polizeiaktion gegen den im Drogen- und Waffengeschäft aufmüpfig gewordenen Jashari-Clan in der Drenica-Region im Februar 1998: 20 bewaffnete Jashari-Kämpfer, aber auch an die 60 Zivilisten aus der Großfamilie wurden niedergemetzelt. In dem darauf folgenden breiten bewaffneten Aufstand der Kosovo-Albaner kam ein Mann der Jashari-Sippe groß heraus: Hashim Thaci, genannt »die Schlange« - der neue UÇK-Führer. Die Jasharis, die Gashis, die Berishas, die Shalas und die anderen kosovo-albanischen Clans haben daraufhin ihre Kontakte sowohl im Westen als auch im Orient für die Organisation und die Durchführung ihres Aufstandes ins Spiel gebracht. Die serbischen Dienste hätten sie regelrecht in die Hände der potentiellen Gegner geschickt, meint Spasic.

Nach dem Ausbruch des Krieges im Kosovo brauchten die kosovo-albanischen Drogenbarone ihre neuen Stützpunkte nicht weit zu suchen: In Albanien, Mazedonien und in der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro konnten sie an die traditionell guten Beziehungen anknüpfen, da die illegalen Geschäfte für die neuen Zwergstaaten im Südbalkan längst überlebenswichtig geworden sind. Die von der Europäischen Union geförderte Institution zur Bekämpfung der Drogenkriminalität, die schon erwähnte OGD, nennt in ihrem Jahresbericht 1997 Beispiele:

Die albanischen Clans funktionieren mafiamäßig und stützen sich dabei au/ den Ehrenkodex der Clans, genannt Leka Dukadjini (der für Verrat Blutrache an der gesamten Sippe des Verräters vorsieht). Der Drogenhandel wird häufig durch die albanischen politischen Kreise Mazedoniens und des Kosovo koordiniert und kontrolliert: Alle Mafia-Organisationen sind verpflichtet, ihnen einen Anteil ihrer Profite abzugeben. Die Drogenhändler sind ebenfalls dazu verpflichtet, Waffen zu kaufen und abzuliefern. Die Partei der Demokratischen Prosperität aus (dem mazedonischen) Tetovo, aber allen voran die bewaffneten militanten Gruppen wie die Kosovo-Befreiungsarmee UÇK finden so eine wichtige und vor allem eine regelmäßige Finanzierungsquelle.

Der Verlauf dem Drogenrouten aus dem Orient in Richtung Westen ist bekannt. Die Rohstoffquellen in Afghanistan und im Iran werden größtenteils durch die (lange von der CIA geförderten) afghanischen Taliban- bzw. die iranischen Hisbollah-Milizen kontrolliert. Die Verarbeitung erfolgt meistens in der Türkei, aber auch in Griechenland, Mazedonien und Albanien. In Istanbul hat die mächtige Organisation des Kosovo-Albaners Daut Kadirovski das Sagen. Nach seinen Anfängen in Skopje, Pristina und Madrid baute Kadirovski Ende der 80er Jahre seinen Aufstieg als Drogenbaron in Istanbul und in Deutschland auf, wo er auch mit der türkischen faschistischen Organisation der Grauen Wölfe kooperiert.

Ihre guten Beziehungen aus den Drogengeschäften haben die Kosovo-Albaner auch für ihren politischen Kampf eingespannt. Die massive Präsenz der türkischen und der iranischen Geheimdienste in Tirana, aber auch der afghanischen Mujaheddin in den Ausbildungslagern der UÇK in Nordalbanien ist den westlichen Geheimdiensten keineswegs entgangen. Mit dabei: die Terror-Spezialisten des Ossama Bin Laden, den die USA für die Anschläge gegen ihre Botschaften in Afrika vom letzten Jahr verantwortlich machen.

Im Hauptquartier der UÇK in Tirana, das sich nicht zufällig im Gebäude des alten albanischen Geheimdienstes Sigurimi - neuerdings Shik - befindet, geben sich diese Agenten und Drogenbosse aus dem Orient die Klinke in die Hand. Sie halfen den UÇK-Führern bei der Planung und Durchführung des Kampfes um die Sezession des Kosovo. Organisationshilfe leistet die CIA. Der Leiter des albanischen Geheimdienstes, Fatos Klosi, ist stolz darauf:

Die Ausbilder der CIA lehren nicht nur einfach Theorie, sondern auch ihre Arbeitsmethoden. Der Shik wird nach dem westlichen Vorbild umgebaut. Ein Mitspracherecht bei der Aufnahme neuer Mitarbeiter oder bei der Bestellung der Führungspositionen wird die CIA aber nicht haben.

Doch bei dem überraschenden Erscheinen des bis dahin unbekannten Hashim Thaci als Leiter der kosovo-albanischen Delegation in Rambouillet vermuten Experten dennoch eine CIA-Empfehlung. Fatos Klosi:

Die Beziehungen zwischen dem albanischen Geheimdienst Shik und der CIA sind in den letzten Monaten intensiviert worden, und die CIA-Fachleute sind im Lande sehr aktiv. Die CIA-Agenten haben ihre Verbindungsbüros im Norden Albaniens, in jenem Gebiet an der albanisch-jugoslawischen Grenze gegenüber dem Kosovo, wo die Angehörigen der UÇK ihre Stützpunkte ausgebaut hatten.

Im August 1998 -wenige Tage vor den Bombenanschlägen gegen die US-amerikanischen Botschaften in Kenia und in Tansania - wurden vier Mitarbeiter des ägyptischen Terroristenführers Ayman al Zawary in Albanien gefaßt. Zawary gilt, zusammen mit Ossama Bin Laden, als Hauptdrahtzieher der Terrororganisation Internationale Islamische Front aus Afghanistan. Die Ägypter waren, als Helfer der Islamischen Erneuerungsfondation getarnt, in Nordalbanien bei den flüchtigen Kosovo-Albanern tätig, in Tropoja und Bajram Curri, genau dort, wo auch die CIA ihre Verbindungsbüros unterhält.

Doch die »New York Times« setzte neulich noch einen drauf-. Der Anführer der UÇK, Hashim Thaci, die Schlange, der Freund des James Rubin, habe mehrere Konkurrenten aus albanischen Reihen liquidieren lassen. Allen voran Ahmed Krasniqi, den Waffenbeschaffer der Exilregierung Ibrahim Rugovas. Krasniqi sollte für Rugova eine mit der UÇK konkurrierende Streitmacht, die FARK, gründen und bewaffnen. Ausgestattet mit etwa 30 Millionen Mark aus den dubiosen Fonds, die Rugovas Exil-Premier Bujar Bukoshi in Bonn gesammelt hatte, fuhr Krasniqi nach Tirana. Was dort geschah, las sich in einem Bericht der »New York Times« so:

Im letzten September hielt die albanische Polizei Krasniqi und seine Helfer an und beschlagnahmte ihre Waffen. An einem polizeilichen Checkpoint wurden er und seine zwei Begleiter erneut angehalten. Drei Bewaffnete mit schwarzen Gesichtsmasken, >die mit albanischem Akzent sprachen, was sie von den Kosovo-Albanern unterscheidet(, befahlen Krasniqi und seinen beiden Begleitern, sich auf den Boden zu legen. )Welcher ist es?~ fragte einer der Killer. )Der in der Mitte<, soll der andere gesagt laben, Der Killer der seine Pistole an Krasniqis Kopf hielt, schoß einmal und dann noch zweimal...

So weit die Schilderung von Chris Hedges; seine Informationen stammen von UÇK-Aussteiger Rifat Haxhijaj. Hashim Thaci und sein engster Mitarbeiter, Xhafer Haliti, sollen für diese und ein Dutzend weiterer Exekutionen Experten des albanischen Dienstes Shik eingesetzt haben.

Doch der gefährliche Machtpoker der albanischen Clans geht weiter: Während die UÇK weiterhin von der albanischen Regierung unter Pandeli Majko und von den USA unterstützt wird, kann sich der inzwischen nach Pristina zurückgekehrte Ibrahim Rugova auf die volle Rückendeckung des albanischen Ex-Premiers Sali Berisha stützen - einem Schützling der Deutschen und zugleich Protegé der mächtigsten nordalbanischen Clanchefs. Trotzdem wagt sich Ibrahim Rugova noch nicht auf die politische Bühne zurück: Thacis UÇK hat ihn als Verräter gebrandmarkt und öffentlich auf ihre Todesliste gesetzt.

Daß dieser Konkurrenzkampf der UÇK mit dem im Westen als Pazifist verklärten Schattenpräsidenten der Kosovo-A1baner auch andere als rein politische Motive haben könnte, vermuten dagegen die Geheimdienstexperten. Rugova war im Dezember letzten Jahres in Prag, wo er mit dem Friedenspreis der Tschechischen Stiftung »Menschen in Not« geehrt wurde. Dabei wurde er in Gesellschaft des berüchtigten albanischen Drogenbarons Dobroshi gesehen. Dobroshi, der Pate der nordeuropäischen Drogenroute, wurde inzwischen (im Februar 1999) im Rahmen einer international koordinierten Polizeiaktion verhaftet, gleichzeitig mit fast fünfzig seiner Clan-Mitglieder in West- und Nordeuropa. Dobroshi unterhielt einen Waffenlieferungskanal nach Nordalbanien - zu den FARK-Einheiten, die Ibrahim Rugova und Bujar Bukoshi den Treueeid geschworen haben.

Vieles an der jetzigen Situation im Kosovo ähnelt der in Bosnien-Herzegowina nach dem Dayton-Abkommen. Damals wurden die örtlichen Polizeikräfte in der Herzegowina von den kroatischen Mafiabossen aufgestellt. Der lokale Mafia-Boß, Mladen Naletilic-Tuta, war ein guter Freund des damaligen kroatischen Verteidigungsministers Gojko Susak - und der wiederum pflegte beste Beziehungen zu Madeleine Albright.

Im Kosovo gibt es Parallelen. Hashim Thaci ist nicht nur mit James Rubin gut befreundet - auch Frau Albright scheint von ihm fasziniert zu sein, seit Rambouillet: Ende Juli ließ sie sich in Pristina das Vergnügen nicht nehmen, ihn vor laufenden Kameras zu umarmen und zu küssen. All diese bedrohlichen Folgeerscheinungen des Nato-Krieges lassen den Ausblick der »International Police Review« entsprechend düster ausfallen:

Mit der Eskalation des Krieges mußte sich die UÇK immer mehr auf die Hilfe der albanischen Drogenhändler verlassen, um ihren Krieg zu finanzieren. ... Sie bekommt immer bedeutendere Summen von den Gruppierungen im Drogenhandel aus Europa und Nordamerika. Diese Abhängigkeit verleiht den Kriminellen einen großen Einfluß auf die an die 30.000 Mann starke UÇK-Streitmacht, die den Nachkriegs-Kosovo wahrscheinlich dominieren wird.


(Zitiert nach Konkret 10/99)

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