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Wie die USA Fidel Castro ermorden wollten

«Uneigennützige» Hilfsbereitschaft der amerikanischen Mafia

Wie aus jetzt freigegebenen Dokumenten hervorgeht, ist die CIA in den frühen sechziger Jahren in ihrem Bemühen, den kubanischen Revolutionsführer und Staatschef Fidel Castro zu ermorden, auch vor der Zusammenarbeit mit der Mafia nicht zurückgeschreckt. Zur Begründung wird heute angegeben, es habe sich um «eine andere Ära» gehandelt.

U. Sd. Washington, 3. Juli

Dass die Vereinigten Staaten von Amerika noch vor wenigen Jahrzehnten vieles taten, um rechtsgerichtete lateinamerikanische Diktatoren zu unterstützen und linksgerichtete zu beseitigen, ist bekannt. Dass sie dabei auch die Hilfe von Verbrecherorganisationen suchten, wurde immer vermutet und ist jetzt durch Dokumente einwandfrei bestätigt worden. Das Aussenministerium in Washington hat dieser Tage ein Memorandum der Central Intelligence Agency (CIA) freigegeben, aus dem hervorgeht, dass diese der Mafia für die Ermordung des kubanischen Präsidenten Castro 150 000 Dollar angeboten hat. Man dachte, die Mafia eigne sich für diesen Auftrag, weil sie wegen ihres früheren Engagements in kubanischen Glücksspielkreisen noch immer über gute Kontakte auf der Zuckerinsel verfügte.

Wie aus dem einst als streng geheim klassifizierten Memorandum hervorgeht, nahm die CIA Kontakt zu dem legendären Mafioso Sam Giancana und seinem «Mitarbeiter» John Rosselli auf und stellte im Herbst 1960 das Geld bereit, zahlbar nach der Erledigung des Auftrags. Der Mittelsmann zwischen der Mafia und der CIA, der Privatdetektiv Robert Maheu, berichtete indessen, Giancana und Rosselli hätten emphatisch klargemacht, dass sie auf jede Bezahlung verzichteten. Nachdem mehr als 11 000 Dollar für Spesen im Zusammenhang mit dem geplanten Mord ausgegeben worden waren, annullierte die CIA den Auftrag nach der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht vom April 1961. Das Memorandum wurde ein Jahr später vom damaligen CIA-Sicherheitschef Sheffield Edwards Justizminister Robert Kennedy zugestellt. Es ist eines von 450 Dokumenten, die jetzt herausgegeben wurden und die Geschichte der amerikanischen Aussenbeziehungen zwischen 1961 und 1963 beleuchten.

Wie wichtig das Dokument war, geht aus dem Umstand hervor, dass nur zwei Kopien angefertigt wurden und offenbar nur sechs Personen von den Kontakten der CIA zur Mafia wussten. Laut dem Historiker des State Department, David Patterson, ist nicht einmal klar, ob der Präsident von der Operation wusste. Bekannt und umfassend dokumentiert ist hingegen, dass die CIA eine ganze Reihe von Versuchen unternahm, Castro zu ermorden. Die Geschichten über vergiftete Zigarren und Kugelschreiber haben längst die Runde gemacht; viele von ihnen wurden 1993 in einem CIA-Report veröffentlicht.

Aus: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 152, 04.07.97, Ausland, Wie die USA Fidel Castro ermorden wollten

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