Laut einem Übereinkommen zwischen der türkischen und der amerikanischen Regierung von 1959 sollte sie im Falle einer internen Rebellion eingesetzt werden. 1964 wurde sie in Ozel Harp Dairesi (OHD – Abteilung für besondere Kriegsführung) umbenannt. Sie stand unter dem Befehl des Generalstabes und wurde auch unter anderen Namen wie Ozel Kuvvetler Komutanlik (OKK – Sonderstreitkräftekommando) und Harekat Dairesi (HD – Abteilung für Kriegsführung) bekannt. Die Angehörigen der offiziellen Truppen des OHD werden als A-Einheiten oder Sonderoperationsgruppen bezeichnet, professionelle Freiwillige als B-Einheiten. Sie sollen Zellen gebildet und sämtliche politische Parteien unterwandert haben. Das OHD arbeitet eng mit dem Geheimdienst MIT (Milli Instihbarat Teskilati, Nationaler Informationsdienst, bis 1965 MAH, Mili Amale Hizmet) zusammen, der unter dem Befehl des Generalstabes steht und außerhalb der Kontrolle der zivilen Regierung ist. Ein anderer Zweig des OHD soll die Abteilung für psychologische Kriegsführung sein, die seit 1983 Ministerium für soziale Beziehungen (TIB) heißt. Über dieses Ministerium sollen Universitäten, Massenmedien und Kulturinstitute infiltriert, falls nicht sogar von ihm selber mitbegründet worden sein.
Daß es sich dabei um den türkischen Ableger von Gladio handelt, geht aus Aussagen des sozialdemokratischen Ex-Premier Bülent Ecevit hervor. Er sei 1974 vom Generalstab gedrängt worden, einen Geheimfonds für die "Abteilung für besondere Kriegsführung" einzurichten, damit diese Sonderaufgaben bei der Zyperninvasion erfüllen könne. Die Geheimtruppe – der Ministerpräsident erfuhr bei dieser Gelegenheit erstmals von ihrer Existenz – würde normalerweise von der CIA finanziert. Für die Sonderaufgaben reiche jedoch das Geld nicht. Die USA hatten auf Grund der Zyperninvasion die CIA-Gelder vorläufig sperren lassen.
Der Ex-Premier meinte rückblickend, daß die Geheimtruppe für zahlreiche Anschläge Ende der siebziger Jahre verantwortlich gewesen sein könnte und Verbindungen zu den "Grauen Wölfen" – eine nach dem Vorbild der SA Hitlers aufgezogenen paramilitärischen Terrortruppe des Neofaschisten Alparslan Türkes – unterhalten haben könnte. Ein Indiz dafür ist der auf Ecevit verübte Mordanschlag am 29. Mai 1977, bei dem ein Mitarbeiter des Premiers getötet wurde. Augenzeugen identifizierten einen Polizisten als Schützen. Das Projektil stammte jedoch aus keiner von der türkischen Polizei offiziell verwendeten Waffe. Ecevit hatte noch während seiner Amtszeit die Auflösung der Geheimtruppe befohlen, das Militär widersetzte sich jedoch diesen Anweisungen.
Ein in Ungnade entlassener Offizier, Talat Turhan, legte bereits in einem Verfahren, das die Streitkräfte nach dem Putsch 1971 gegen ihn anstrengten, zwei Dokumente vor, die auf den Zusammenhang der Sondereinheit und der CIA hinwiesen. Das 1964 im US-Verlag Frederik A. Praeger – nach Überzeugung des Offiziers eine CIA-Firma – erschienene Buch "Gegenkriegstaktiken" wurde 1965 im Auftrag des Generalstabes ins Türkische übersetzt. Die US-Army-Unterlagen "Anti-Guerilla-Operationen", genannt FM 31/16, FM 31/20, FM 31/21, wurden ebenfalls im Auftrag des Generalstabes übersetzt und als offizielles Schriftstück für den Dienstgebrauch in Umlauf gebracht. Diese enthalten detaillierte Handlungsanweisungen für Sabotageaktionen, Sprengstoffattentate, Mordanschläge, Angriffe auf Polizeiwachen, Bankraub, Foltertechniken und Wahlbetrug.
Trainingsanlagen der türkischen Gladio-Ableger sind in Ankara, Bolu, Kaysei, Buca und Canakalle. In Bolu sollen sie gemeinsam mit US-"Delta forces" geübt haben. Höhere Offizier sollen in den USA in Anti-Guerilla-Schulen ausgebildet worden sein.
Die in den siebziger Jahren gegründte MHP (Nationale Aktionspartei) hat den paramilitärischen Teil gebildet. So hat man 1980 in ihrem Hauptquartier in Ankara das FM 31/15 über die Bildung von Untergrundzellen gefunden. Der ehemalige Nachrichtenchef des Generalstabes Orkut gab die Zusammenarbeit mit der MHP ganz offen zu.
Zwischen 1975 und 1980 gingen zahlreiche Anschläge nachweislich auf das Konto der Geheimtruppe. Sie verfolgten alle das Ziel, bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen. 1980 schließlich übernahm das Militär zum dritten Mal innerhalb der vergangenen 20 Jahre die Herrschaft.
Am 3.12.1990 gaben die Generäle Dogon Beyazit von der operativen Abteilung des Generalstabes (HD) und Kemal Yilmaz, Chef der Sonderstreitkräfte (OK) die Existenz einer speziellen NATO-Truppe zu, die mit der Aufgabe betraut gewesen sein soll, im Falle einer kommunistischen Invasion Widerstand zu leisten. Weiters gaben sie Einsätze 1974 in Zypern und 1980 gegen die PKK zu. Die geheimen Mitglieder nannten sie allesamt "Patrioten". Im Gegensatz zu diesen Statements stehen nicht nur die oben erwänten inneren Einsätze dieser Truppe, sondern auch die Memoiren des Coupleaders von 1980 späteren Präsidenten und damaligen Befehlshaber der Guerillatruppen, Kenan Evren, in denen dieser behauptete, der frühere Premierminister Suleyman Demirel selbst hätte den Einsatz des OKK gegen innere Unruhen verlangt.
Quellen: | |
Frankfurter Rundschau, 2.1.1991; | |
Türkei-Information, Januar/Februar 1991; | |
Kurdistan Report, Februar/März 1994; | |
Leo A. Müller: Gladio – das Erbe des Kalten Krieges. Der Nato-Geheimbund und sein deutscher Vorläufer. Mit einem Beitrag von Werner Raith. Verlag Rowohlt Taschenbuch, Reinbeck bei Hamburg 1991. |
Erstellt am 23.02.1997. | zoom@thing.at |
Die ZOOM wird herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft für Wehrdienstverweigerung, Gewaltfreiheit und Flüchtlingsbetreuung. |
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