Zurück

Startseite junge Welt Inland

13.08.1998
Heroin als Waffe
Kampagne kurdischer Vereine gegen Rauschgift und Türken-Mafia

»Heroin tötet! Rettet das Leben!« lautet die Warnung auf Plakaten, die nachts in vielen Städten Deutschlands geklebt wurden. Das Bild zeigt eine Europakarte. Aus der blutig-rot ausgemalten Türkei ragen Heroinspritzen drohend nach Westeuropa. Unterzeichnet sind die Plakate von der verbotenen Nationalen Befreiungsfront Kurdistans ERNK.

Immer wieder haben Polizei und Presse versucht, die kurdische Befreiungsbewegung mit Drogenhandel in Verbindung zu bringen. Beweise dafür gibt es bis heute nicht. Statt dessen hatte PKK-Chef Abdullah Öcalan dem Verfassungsschutz sowie dem CDU-Abgeordneten Heinrich Lummer bei diplomatischen Gesprächen eine Zusammenarbeit im Kampf gegen Drogendealer angeboten.

Nun haben die in der europaweiten Föderation KON-KURD zusammengeschlossenen kurdischen Vereine eine Kampagne gegen Drogenhandel und Drogenkonsum gestartet. Vertreter des Kurdischen Exilparlaments und Mediziner besuchen in diesen Tagen die Vereine und informieren unter dem Motto »Widerstand heißt Leben« über Suchtvorbeugung und Suchtbekämpfung. »Flucht und Vertreibung aus der Heimat durch den schmutzigen Krieg des türkischen Staates gegen die Kurden, Mißachtung und Nichtanerkennung ihrer Identität nicht nur durch die Türkei und die anderen Länder, die Kurdistan kolonisiert haben, sondern auch durch die Bundesrepublik Deutschland, in der Flüchtlinge und Asylbewerber alles andere als willkommen sind - solche Faktoren könnten dazu geeignet sein, Kurdinnen und Kurden entweder in die Drogenabhängigkeit zu treiben oder sie zu Tätern werden zu lassen, die anderen Drogen verkaufen, um selbst an das schnelle Geld zu kommen«, erklärt die Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland YEK-KOM.

Mit ihrer Kampagne wollen die kurdischen Vereine die deutsche Öffentlichkeit über die Hintergründe des Drogenhandels informieren. Die Türkei ist heute nicht nur Hauptumschlagplatz des europäischen Drogenhandels, sondern auch eines der wichtigsten Herstellerländer für harte Drogen. In den letzten Jahren ist bekanntgeworden, daß eine ganze Reihe der weltweit größten Drogendealer zur türkischen Mafia gehören. Dieselbe Mafia ermordet als Kontraguerilla kurdische und türkische Oppositionelle, Menschenrechtler und Gewerkschafter oder läßt sie »verschwinden«. Drogengelder dienen zur Finanzierung des schmutzigen Krieges in Kurdistan.

Durch die Susurluk-Affäre Ende 1996 wurde die enge Verstrickung von Mafia, Konterguerilla und Staat in der Türkei deutlich. Damals verunglückte bei einem Verkehrsunfall Serhat Bucak, Abgeordneter der Regierungspartei DYP und Anführer einer Kontraguerilla-Bande zusammen mit dem hohen Polizeioffizier Hüsein Kocadag und dem von Interpol gesuchten Mörder und Drogenhändler Abdullah Catli. Ein Frankfurter Gericht wies die enge Verquickung der ehemaligen türkischen Ministerpräsidentin Tansu Ciller und ihrer Familie mit der Drogenmafia nach.

Nick Brauns, München

© junge Welt, HTML: IPN/gumi

Zurück zum Seitenanfang

 

Diese Seite wurdemal besucht